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„Der König kann seinen Rechten nichts vergeben.“ – Diese Aeusserung kömmt von unserem Könige nicht; in einer hochwichtigen Angelegenheit nicht, wo es darauf ankömmt, seinen Thron, das Glück seines Volkes für eine Reihe von Jahrhunderten gegen alle Erschütterungen zu gründen. Ich habe für diese Aeusserung keine Antwort.

Wohl möglich, dass die Verhandlungen über die Verfassung von Württemberg, dass die Insinuationen fremder Cabinette und Staatsmänner Sr. Majestät Besorgnisse eingeflösst haben. Diese leichteren Besorgnisse werden grösseren gegenüberstehenden weichen, wenn die letzteren geltend gemacht werden. Wo auf der einen Seite die Vernunft, die Klugheit so laut spricht, und auf der anderen sich ein edles Herz so gern Allem, was es für recht und gut erkennt, hingibt, ist der Sieg nicht zweifelhaft. Es muss selbst auf des Monarchen vorübergehende Missbilligung gewagt werden, ihm in treuer Dienerpflicht die Verhältnisse unbedingt zu enthüllen, die sein Wohl bestimmen.

Der grosse Mann, dessen tiefer politischer Blick uns wiedergeboren hat, wird durch seine Auflösung des Problemes, wie durch kluge, kalte, festgehaltene Combinationen und schnelle Würdigung des Moments ein verzweiflungsvoller, politischer Process gewonnen werden kann, ein Blatt in der Weltgeschichte ausfüllen; aber – er hat nichts für die Unsterblichkeit geliefert, das Blut der Helden, das seine Combinationen geltend machte, floss umsonst, wenn er sein schönes Gebäude von neuem dem Zufalle hingibt, es nicht durch eine den Forderungen der Zeit entsprechende Verfassung krönend befestiget.

„Wir wollen eine Verfassung; aber sie soll der Nation nur eine berathende Stimme ertheilen.“ –

Dies ist nicht genug auf der einen Seite, und führt auf der anderen zur Revolution.

Eine Verfassung, welche dem Souverän die Befugniss gibt, die Nation zu hören, ihren Rath zu beachten oder nicht, ist keine Verfassung, keine Bürgschaft für die Dauer unseres Glückes.

„Der König wird nie ein von der Nation gemissbilligtes Gesetz sanctioniren“ – dessen bin ich gewiss; aber um so leichter kann der Nation eine verwerfende Stimme eingeräumt werden. Will man den tugendhaften Monarchen in den Fall bringen, einem späteren, vielleicht nicht tugendhaften, weniger erleuchteten Nachfolger, durch eine förmliche Satzung das Recht vorzubehalten, gegen den feierlich und förmlich ausgesprochenen Willen der Nation, die Gesetze zu ändern, – so bereitet man eine Revolution vor.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_093.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)