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des plötzlichen Wechsels der Meinungen – – – belehren. Die gewaltige Veränderung der allgemeinen religiösen und politischen Denkart, die, seitdem Nordamerika das Beispiel von Insurrection und das Ideal von Verfassung gegeben, recht sichtbar geworden ist, wird nicht minder unwiderstehlich sein. In weniger als einem Menschenalter werden selbst in die Ministerplätze und in die Stellen der ersten Staatsbeamten fast lauter Männer kommen, die nach den neuen Meinungen sich gebildet haben. Man darf sich nicht mit der Hoffnung schmeicheln, dass unser Vaterland allein dem allgemeinen Schicksal entgehen werde. Wenngleich das allgemeine Verlangen nach Volksvertretung in demselben bisher weniger und fast nur in den Rheinlanden laut geworden, so ist das mehr eine Folge der Weisheit unserer Monarchen, die den Staat schon lange im Geiste einer repräsentativen Verfassung erhielten und die mangelnde Form nicht vermissen liessen.“ Darüber liess er zwar keinen Zweifel, dass seiner Ansicht nach die Repräsentation auf den verschiedenen Stufen, analog dem Herkommen, nach der Eintheilung in „Rittergutsbesitzer“, „Bürger”, „Bauern“ zu bilden sei. Aber dies sollte „keinen egoistischen Ständeunterschied“ ausdrücken, sondern „zur Erleichterung des Uebergangs aus der ständischen Verfassung in die Volksvertretung“ dienen. Dies sollte sich auch in der neben Provinzialständen bestehenden „Reichsrepräsentation“ zeigen. Die Frage, ob in derselben ein „Oberhaus“ einzuführen sei, hielt er „durchaus für vorzeitig“.

Als Competenz der Reichsrepräsentation schwebte ihm vor, was durch Uebereinkunft Oesterreichs, Preussens, Hannovers am 21. October 1814 in Wien als „Minimum ständischer Rechte“ angenommen worden war: Mitwirkung bei der Gesetzgebung, Einwilligung bei der Festsetzung öffentlicher Abgaben, Mitaufsicht über die Verwendung derselben, Beschwerderecht, Recht die Bestrafung schuldiger Staatsdiener zu fordern[1]. Die allgemeine Staatsverfassungsurkunde sollte folgende Grundrechte enthalten: Vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Meinung und der Presse unter Verantwortlichkeit für

  1. Vgl. W. A. Schmidt, Geschichte der Deutschen Verfassungsfrage während der Befreiungskriege und des Wiener Congresses 1812–15. S. 232.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_097.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)