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müssen, wo Waldbären, Hirsche und Renthiere zu Hause waren, die es auf Island nicht gab. Endlich, und dies ist die Hauptsache, hat der Verfasser allzu ausschliesslich die Englische Kirche der Norwegischen gegenübergestellt, und viel zu wenig die andere Frage beachtet, ob nicht neben der Englischen noch irgendwelche andere Kirche auf diese letztere eingewirkt haben könnte, wie zumal die Deutsche und die Römische. Schon in dem geschichtlichen Theile seiner Darstellung tritt dieser Umstand sehr deutlich hervor. Die Wirksamkeit der Englischen Missionäre in Norwegen hat der Verfasser mit lebhaften Farben geschildert; aber die nicht minder bedeutsame Thätigkeit der Deutschen Glaubensboten hat er ihr gegenüber allzusehr in den Hintergrund treten lassen, und zumal hat er die sehr deutlich erkennbare Anlehnung des heil. Olaf’s an den erzbischöflichen Stuhl zu Bremen-Hamburg, wie solche theils durch die feindlichen Beziehungen des Königs zu der Dänisch-Englischen Monarchie, theils aber auch durch die von der Curie aus verfügte Unterstellung der Nordischen Mission unter jenes Erzbisthum bedingt war, allzu wenig gewürdigt. Freilich sind jene Beziehungen der Altnordischen Kirche zu Deutschland fast nur aus den sparsamen und nüchternen Angaben Adam’s von Bremen und allenfalls aus einzelnen Notizen in den Biographien der älteren Isländischen Bischöfe zu erkennen, während die Isländisch-Norwegischen Sagenwerke dieselben zumeist mit Schweigen zu übergehen pflegen; aber Meister Adam, dessen Werk von dem Verfasser selbst (S. 178) als die älteste sowohl als beste Quelle der älteren Kirchengeschichte des Nordens bezeichnet wird, und dessen von K. Svend Estridsson bezogene Nachrichten erst neuerdings wieder durch ein paar Schleswigsche Runensteine eine schlagende Bestätigung erhalten haben (vgl. L. Wimmer, Festskrift fra Kjöbenhavns Universitet i Anledning af K. Christian IX’s Guldbryllup. 1892. S. 28–35), darf nicht leichthin gegen Erzählungen zurückgesetzt werden, welche Jahrhunderte lang nur auf mündlichem Wege überliefert, erst um 100–150 Jahre später als jenes zur schriftlichen Aufzeichnung gelangten. Ganz dieselbe Einseitigkeit der Betrachtung macht sich aber auch geltend bei der Vergleichung der kirchlichen Verfassung und Praxis in England und in Norwegen. Es genügt nicht, um die geschichtliche Abhängigkeit der Einrichtungen der einen Kirche von denen der anderen darzuthun, dass deren Uebereinstimmung in einer Reihe von Punkten erwiesen wird, vielmehr muss, wenn jener Schluss zulässig sein soll, festgestellt sein, dass jene Uebereinstimmung Punkte betrifft, in Bezug auf welche eben nur die beiden in Frage stehenden Kirchen mit einander übereinkommen, während alle anderen Kirchen in Bezug auf sie andere Wege einschlagen, und überdies werden neben den Uebereinstimmungen

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_102.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)