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sich aus den diesbezüglichen Bemerkungen unter I und II ergeben haben. Wenn man aber aus dem Umstande, dass in der Passio kein Wort von der Pilgerfahrt Otto’s nach Gnesen und der Stiftung des Erzbisthumes daselbst gesagt wird, beweisen will, dass dieselbe noch vor dem Jahre 1000 entstanden sei, so ist diese Beweisführung sehr hinfällig, auch wenn man davon absieht, dass unsere Passio nur ein Auszug ist, in dem die Nachricht über jene Ereignisse möglicherweise weggelassen wurde. Wie wenig man aber auf den übrigens auch in anderen Fällen nur sehr zweifelhaften Beweis „ex silentio“ gerade in unserem Falle Gewicht legen darf[1], folgt aus dem Umstande, dass auch Brun, der doch sicher nach dem Jahre 1000 schrieb, der Pilgerfahrt Otto’s nicht gedenkt. Das entscheidende Moment bieten aber folgende Sätze der Quelle[2]: „Aschricumque abbatem [sc. in coenobio ad Mestris] constituit, qui postea archiepiscopus ad Sobottin consecratus est“ und „Frater autem eius Radim, – – – qui postea archiepiscopus effectus“. Mag es nun auch richtig sein, dass Radim-Gaudentius schon vor dem Jahre 1000 zum Erzbischof geweiht worden sei[3], so ist es doch undenkbar, dass ein Schriftsteller, der etwa in demselben Jahre schrieb, „postea“ nicht aber etwa ein „nunc“ gesetzt hätte. Dasselbe gilt von der Notiz über Astrik, der frühestens 1000 Erzbischof in Gran geworden war[4]. Erinnert man sich noch daran, dass der Schriftcharakter der Handschrift dem 11. Jahrhundert angehört, so muss die Behauptung, dass die Passio in der vorliegenden Gestalt in das Ende des 10. Jahrhunderts zu setzen sei, als völlig unhaltbar bezeichnet werden, besonders da sie als ein Auszug aus einer grösseren Arbeit erscheint. Letztere dürfte allerdings, weil ihr Verfasser offenbar gut unterrichtet war, bald nach dem Tode Adalbert’s, wenn auch nicht gerade vor dem Jahre 1000, entstanden sein.

IV. In der vor kurzem erschienenen grossen Bibliographie der Polnischen Geschichte[5] finden die Arbeiten über den hl. Adalbert seit dem 17. Jahrhundert eine weitgehende Berücksichtigung, dagegen sind die mittelalterlichen Quellen nur zum Theil aufgezählt. Da eine vollständigere Zusammenstellung derselben auch an einem anderen Orte nicht zu finden ist, andererseits aus dem genauen Vergleiche aller bekannten Adalbertslegenden sich gewiss werthvolle Schlüsse auf die Verbreitung der zwei ältesten Quellen, ferner vielleicht auch über die anonyme Passio und den „liber de passione martiris“,

  1. Dasselbe gilt übrigens in Bezug auf die Vita von Canaparius.
  2. Mon. Germ. XV, 2, 706.
  3. Giesebrecht, Gesch. d. Dt. Kaiserzeit I5, 728; 732.
  4. Vgl. meine Beiträge zur älteren Ungar. G. (Wien 1893) S. 25.
  5. Finkel, Bibliografia historyi polskiej I, 369 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_108.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)