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Nachrichten und Notizen.

Die erste Versammlung Deutscher Historiker liegt nun hinter uns, und wir dürfen dem Gefühl der Genugthuung über ihr Gelingen Ausdruck geben. Wohl liess der Besuch aus Norddeutschland, besonders von Norddeutschen Universitäten, wie vorausgesehen war, zu wünschen übrig, wohl gab es auch in dieser Versammlung, wie bei etwas verwickelten Verhandlungen, und nun gar in einer zum ersten Mal berathenden Gesellschaft, fast unvermeidlich, einen Moment der Abspannung und Verwirrung, in dem die vorher und nachher so deutlich erkennbare Grundanschauung verdunkelt zu werden schien, – aber das waren doch alles in allem nur untergeordnete Störungen. Die Lücken in der Betheiligung wurden wohl bedauert, aber die Stimmung der sehr stattlichen Versammlung wurde dadurch nicht beeinträchtigt, und durch die Verhandlungen, wenn wir sie im ganzen überblicken, ging ein einheitlicher Zug, das Bewusstsein von der Würde und Bedeutung freier historischer Wissenschaft.

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Das zeigte sich am ersten Tage, als man den selbständigen Werth der Geschichte betonte, sie um ihrer selbst, um ihres eigenen Bildungswerthes willen gelehrt haben wollte, als man deshalb „den Potenzen und Interessen, von denen sie umworben wird“, ein deutliches „hands off“ zurief und zugleich sich gegen Schablonisirung verwahrte. Das trat auch am zweiten Tage hervor, als durch die Betrachtungen, wie man den praktischen Anforderungen der Lehrerausbildung auf den Universitäten am besten genügen könne, sehr entschieden und deutlich zugleich die beiden Gedanken sich hinzogen, dass dem Docenten wie dem Studirenden die Freiheit der Individualität verbleiben müsse und dass unter der Rücksicht auf die Lehrpraxis keinenfalls die wissenschaftliche Ausbildung der Geschichtslehrer leiden dürfe, dass vielmehr die „Erziehung zu selbständigem und unbefangenem historischen Urtheil“ durch Beschäftigung mit den Quellen, auch ohne unmittelbare praktische Verwendung, der wesentlichste Bestandtheil des historischen Universitätsunterrichtes sei. Das galt auch für den letzten Tag, als man unter der Devise „ohne Freiheit der Forschung keine Wahrheit“ die grösstmögliche Freiheit in der Benutzung handschriftlichen Quellenmaterials beanspruchte.

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In der von dieser Zeitschrift gewidmeten „Festgabe“ war eine gewisse resignirte Mattigkeit beklagt, die an den Vertretern unserer heutigen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_154.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)