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Bildung zu bemerken sei, und diese Stimmung aus der Empfindung abgeleitet, dass die geistige Führung der Nation an ganz andere Kreise übergehe, aus deren stürmischer Gährung neue zukunftsreiche Bildungsideale erwüchsen, wahrend unsere alexandrinische Wissenschaft wohl herrliche Besitzthümer pflege und ausbaue, aber immerhin ein wenig abseits vom eigentlichen Lebensstrom der Gegenwart stehe. Dieser allgemeine Charakterzug, wenn er richtig beobachtet ist, erklärt vielleicht zum Theil (aber auch nur zum Theil) die Zurückhaltung mancher Kreise, aber die Versammlung selbst beherrschte er nicht. Im erfreulichen Gegensatz dazu hiess es vielmehr: „wir wollen wirken und unsere Freude daran haben und wollen das, was wir als hohen Beruf des Historikers ansehen, zur Geltung im Staate bringen“. Es gab Momente, in denen durch diese Versammlung, die gewiss nicht zur Ueberschwänglichkeit neigte, die vielmehr im allgemeinen nüchtern sachlich verhandelte, doch etwas von jener Erhebung ging, die sich einstellt, wo ein ideales Interesse gemeinsam empfunden wird. In dieser Gesinnung war die Versammlung auch von der Zuversicht erfüllt, dass die dieses Mal begründete Gemeinschaft zu weiterer Wirksamkeit berufen und fähig sei.

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Die Versammlung, die bekanntlich vom 5.–7. April in München stattgefunden hat, war von 107 Theilnehmern besucht. Darunter waren Süddeutsche Gymnasialkreise und Oesterreichische Universitäten sehr gut, die Norddeutschen Universitäten, wie schon erwähnt, recht schwach vertreten. Verschiedene ungünstige Umstände, z. Th. auch noch Zufälligkeiten, hatten darauf eingewirkt. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Alf. Huber aus Wien, zum Stellvertreter desselben Prof. K. Th. Heigel aus München gewählt. Am 1. Tage, 5. April, wurde in zwei Sitzungen, Vormittags und Nachmittags, über die Frage des Gymnasialunterrichts, am 2. Tage Vormittags über den Seminarunterricht, am 3. über Benutzung von Archiven und Handschriftensammlungen berathen. Ehe man auseinanderging, beschloss man, nächstes Jahr in der Woche nach Ostern, d. i. also etwa 28.–30. März, in Leipzig wieder zusammenzukommen und einen Bericht über die diesjährigen Verhandlungen durch den vorbereitenden Münchener Ausschuss als Redactionscomité veröffentlichen zu lassen. Um so mehr können wir davon absehen, hier dem Gange der Verhandlungen Schritt für Schritt zu folgen. Wir werden uns vielmehr bemühen, die Hauptergebnisse und die in der Debatte geltend gemachten wichtigen Gesichtspunkte hervorzuheben. Am längsten ist dabei bei der Unterrichtsfrage zu verweilen, da darin die Meinungen am meisten auseinandergingen und auch die meisten Einzelfragen berührt wurden.

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Gestaltung des Geschichtsunterrichts auf höheren Schulen. Der Versammlung war bekanntlich die Frage gestellt worden: a) „Inwieweit hat der Geschichtsunterricht zu dienen als Vorbereitung zur Theilnahme an den Aufgaben, welche das öffentliche Leben der Gegenwart an jeden Gebildeten stellt?“ – b) „Wie ist demgemäss der Geschichtsunterricht zu ertheilen?“

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Als Referenten waren dafür Gymn.-Dir. R. Martens aus Marienburg (jetzt Elbing), Prof. A. Dove aus München und Prof. G. Kaufmann aus Breslau gewonnen. Es würde nun sehr wenig übersichtlich sein, wenn wir

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_155.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)