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Unterrichts mit der Darstellung der neuesten Geschichte für den Lehrer selbst die Gefahr einer tendenziösen Behandlung, die bei Abtrennung der Bürgerkunde vom Geschichtsunterricht weit leichter vermieden wird. Auf der andern Seite aber steht eine Unterweisung über die Rechts- und Verfassungsverhältnisse der Gegenwart offenbar im allernächsten Zusammenhang mit der neuesten Geschichte.

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Die Ausdehnung, welche dem Unterricht in der neuesten Geschichte zu geben sei, wurde mehrfach in den Thesen und Debatten berührt. Dir. Martens wollte, entsprechend den Preussischen Verfügungen, den Unterricht bis zur Schwelle der Gegenwart fortführen, Prof. Dove und Prof. Kaufmann verlangten dagegen, dass man 1871 abschliesse. Diese Ansicht wurde u. a. von Prof. Kropatscheck und Minist.-Dir. Baumeister unterstützt, und eine sehr starke Strömung in der Versammlung ging offenbar nach dieser Richtung. Eine noch weiter zurückliegende Grenze wurde wenigstens in öffentlicher Versammlung nicht vertreten.

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Die Frage, wie nun für die ausgedehntere und eingehendere Behandlung der neueren Geschichte Raum zu gewinnen sei, wurde in der Debatte nur schwach gestreift, eigentlich nur indirect durch die Erörterung über das Schicksal der alten Geschichte. Dass diese ihre propädeutische Stellung ungeschmälert behalten müsse, hatten die beiden Correferenten in ihren Thesen vertreten; Prof. Kaufmann aber hatte in ausdrücklichem Gegensatz zu den neuen Preussischen Lehrplänen sich auch gegen die Schmälerung ihres Platzes in den Oberclassen gewandt. In dem Berechtigungswesen und in dem Abschluss, der deshalb in Untersecunda erreicht werden solle, wurde von ihm die Ursache dieses Missstandes wie manches anderen gefunden. Von anderer Seite fand diese Ansicht, dass es unthunlich sei, die alte Geschichte in dem einen Jahr der Obersecunda durchzugehen, lebhafte Unterstützung; ob aber die letzten vier Jahre, in der Art vertheilt werden sollen, dass die alte Geschichte wie früher allein zwei Jahre, Mittelalter und Neuzeit zusammen nur ebenso viel zugetheilt erhalten, darüber sprach man sich nicht näher aus. Die Gegner, welche die alte Geschichte zu Gunsten der mittleren und neueren einschränken möchten, kamen, da das Thema nicht eigentlich zur Discussion stand, nicht recht zu Worte. Vom Referenten abgesehen, auf den wir gleich zurückkommen, betonte nur Dr. Klatt entschieden, dass zwei Jahre für Mittelalter und Neuzeit nicht genügten. Fraglos war aber auch diese Ansicht unter den Versammelten stärker vertreten. Dir. Martens ging übrigens in seinem Schlusswort so weit, dass die alte Geschichte, da sie einmal nicht ordentlich gegeben werden könne, am besten ganz im oberen Cursus fortfalle und ihre Berücksichtigung den Philologen bei der Lectüre der classischen Schriftsteller überlassen bleibe, so dass man für Mittelalter und Neuzeit die drei letzten Jahre (Obersecunda und Prima) verfügbar hätte.

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Ein ganz anderes, weit verlockenderes Bild entrollte Dr. Baldamus ans Leipzig von der in Sachsen eingeführten Vertheilung des Stoffes auf die einzelnen Classen. Der erste Cursus schliesst dort mit Untertertia ab, und es bleiben dann also fünf Jahre für den letzten doch eigentlich entscheidenden Cursus, zwei für Alterthum, eins für Mittelalter, zwei

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_163.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)