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kennen gelernt, blieb aber über seinen Beruf und Charakter völlig im Dunkeln, obgleich er als Arzt der Herzogin nahe stand und als Freund und Verehrer der Gesinnungsgenossen Calvin’s in Deutschland, Butzer’s in Strassburg, Grynäus’ in Basel, wohl den nächsten Anspruch auf das Vertrauen des Reisenden besass [1].

Wichtiger, oder vielmehr allein wichtig, ist die Frage nach dem Zweck der Reise und nach ihrem Erfolg. Nach der Aussage des Biographen ist der Zweck ein Besuch bei der Fürstin und daneben der Wunsch, etwas von Italien zu sehen. Suchte er eine Erholung, nach anstrengender Arbeit und ehe er von neuem an die Arbeit ging, und freute sich der gelegentlichen Anknüpfung einer interessanten und je nach Umständen nicht unwichtigen Bekanntschaft? Diese Erklärung mag bei andern ausreichen, für Calvin passt sie nicht. Wollte er die Theilnahme der Herzogin an den neuen evangelischen Bestrebungen fördern und leiten? Wollte er ihre Hilfe für dies oder jenes, was auf derselben Bahn lag, in Anspruch nehmen? Oder hatte er eine bestimmtere Veranlassung zu dem Unternehmen, etwa einen Auftrag an sie? Es fehlt jede Antwort.

Den Erfolg der Reise bezeichnet der Biograph mit den kurzen Worten: „Er bestärkte sie in ihren frommen Bestrebungen, soweit es die Umstände zuliessen“. Das soll doch wohl heissen, dass die Umstände nicht viel zugelassen haben. Die Briefe und Schriften Calvin’s geben über diesen Punkt keine Auskunft, ja sie enthalten auffallender Weise nicht einmal eine Erwähnung der Reise. Nur ein Brief liegt vor, an Renata gerichtet, der allerdings an die Reise anknüpft: wir werden später untersuchen, inwiefern er von Erfolgen der Reise Kunde gibt. Von einer Antwort Renatens auf denselben hören wir nichts, überhaupt von keiner Correspondenz zwischen beiden in sehr langer Zeit. Darnach scheint es fast, als ob Calvin sich gar keines Erfolges zu rühmen gehabt habe.

  1. Johann Sinapius an Calvin. Ferrara 1539 Sept 1. Herminjard VI, 3. – – ut, tametsi nulla inter nos unquam intercessisset notitia, non possem tamen tibi non ex animo bene velle. Jam mirum in modum hanc opinionem de te augent partim officia tua et animus benevolus erga me, partim jucundissima recordatio, immo desiderium praesentiae tuae, quando sane illo quo adfuisti tempore superioribus annis, re vera me sicuti Alcibiadis Silenus quispiam latuisti. Vgl. die Bemerkungen des Herausgebers.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_205.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2023)