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Richardot’s über die Streitfrage wird wohl bald nach dem Eintritt desselben in den Dienst Renatens stattgefunden haben. Das Datum dieses Eintritts kennen wir nicht; aber da wir eine Andeutung besitzen, dass Richardot 1537 dauernd in Ferrara anwesend war, so lässt sich die Vermuthung nicht leicht abweisen, dass ihn bereits damals Renata in ihren Dienst genommen habe[1]. Endlich passt die von Herminjard angeführte Hinweisung des Schreibens auf ein eben erschienenes Buch Capito’s besser auf die erste Ausgabe dieses Buches, die 1537 erschienen ist, als auf die zweite Ausgabe von 1541.

Von einer Antwort Renatens auf Calvin’s Brief wissen wir nichts; und da nur ein unvollendetes Concept des letzteren vorhanden ist, so kann man die Möglichkeit, dass der Brief überhaupt nicht abgegangen sei, nicht in Abrede stellen. Von einer Wirkung desselben, und das ist die Hauptsache, ist keine Spur vorhanden. Renata behielt ihren Almosenier, der nichts von dem Angriff Calvin’s erfuhr[2], und hat ohne Zweifel auch fortan bei ihm die Messe gehört. Meister François hat erst 1544 seine Stellung eingebüsst. Während seiner Amtsführung hat er nicht aufgehört nach beiden Seiten zu schauen, ganz wie Calvin ihn geschildert hat: er nannte sich den Freund Calvin’s, wann und wo dergleichen zu sagen erlaubt und erspriesslich war, sorgte aber zugleich dafür, dass dem Herzog kein Zweifel an seiner katholischen Haltung in den Sinn kam. Zehn Jahre später hat er von Brüssel aus des Herzogs Zeugniss erbeten und erhalten, dass er in Ferrara nichts Unkatholisches sich habe zu Schulden kommen lassen[3].




Es wäre sehr zu wünschen, dass Fontana, dem wir so viel Licht über den Hof von Ferrara bis zum Jahre 1536 verdanken,

  1. Cruciger an Vitus Theodorus. 1538 Sept. 14. Corpus Ref. III, 496. Scribitur etiam, in Italia passim exoriri puriorem evangelii doctrinam, marchionis Pisauriensis viduam Ferrariae in gynaeceo quotidie audire quendam eiectum ex schola Sorbonica, qui iam absolvit epistolam ad Rom., nunc enarrat Esaiam. Vgl. Herminjard, Corresp. VII, 309. Der Carteggio di Vittoria Colonna, seconda edizione, Torino 1892, enthält Briefe, die von Ferrara datirt sind, von Juni 1537 bis Januar 1538.
  2. Coelius Secundus Curio an Calvin. Lausannae 1542 Sept. 7. Opera Calv. XI, 435. Si quid in Italiam scribere cupis, puto ad Renatam Franciae, principem optimam, seu ad Franciscum Richardotum, hominem doctissimum tuique amantissimum, aut alium, fasciculum huc ad Viretum mittes.
  3. Vgl. Herminjard, Corresp. VII, 507.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_220.jpg&oldid=- (Version vom 28.3.2023)