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basiren. Seine Wiedergabe ist irreführend. Wenn man im Nominativ (die Erde) semlja schreibt, so ist es inconsequent, im Genitiv semlji das j wegzulassen und semli zu schreiben, wie Herr Minzes will. Ebenso, wenn man conjugirt: čitaju (ich lese), čitaješ (du liest), so würde kein Russe begreifen, weshalb man im ersten Fall ein j setzen, im zweiten es weglassen und čitaeš schreiben sollte. Eine wirklich werthvolle Transscription aber kann nur die sein, welche auch die Russen befriedigen, eventuell zum Aufgeben ihrer Cyrillischen Schrift, wenigstens in wissenschaftlichen Werken, veranlassen würde. Was die Frage des y betrifft, so scheint mir ausschlaggebend, dass wir die Lateinischen Buchstaben in ihrer genuinen Bedeutung für das Russische zu verwenden haben, da das Ziel, dem wir zustreben, doch darin besteht, das Russische nicht durch „willkürliche“, sondern eben, soweit möglich, durch die wirklich entsprechenden Lateinischen Buchstabenformen verständlich wiederzugeben.

O. Harnack.     

Duplik. An sich hat Herr Harnack mit diesen Bemerkungen ja bis zu einem gewissen Grade Recht, aber er verfährt für die vorliegende Frage ganz und gar unpraktisch. Wir sind in unserer Transscription nicht im Stande, die Härte und Weichheit der Vocale zu berücksichtigen, wenn diese Rücksichtnahme in der Russischen Orthographie selbst nicht stattfindet, und also die Russen selbst auf Berücksichtigung der grammatikalischen Bedeutung scheinbar verzichten. Herr Harnack ist hier plus royaliste que le roi même. Seine Forderungen schliessen sich den Grammatiken an, welche für Ausländer zum Erlernen der Russischen Sprache bestimmt sind. Für einen solchen Ausländer ist es zweifelsohne von der grössten Wichtigkeit, zu unterscheiden, ob der Vocal hart oder weich ausgesprochen wird. Darum muss eine derartige Grammatik eine besonders dazu geeignete Transscription anwenden, wie es z. B. mit der sehr verbreiteten Grammatik von B. Manassewitsch der Fall ist. Wollen wir aber zunächst einmal dem herrschenden Transscriptionswirrwarr durch eine einfache consequente Schreibweise abhelfen, dann müssen wir auf die Aussprache, d. i. auf die Berücksichtigung der Weichheit und Härte, deren richtige Anwendung eine vollkommene Beherrschung der Russischen Sprache voraussetzt, verzichten. Wenn wir ein für alle Mal für einen Russischen Buchstaben einen äquivalenten Deutsch-Lateinischen wählen, so müssen wir nur darauf achten, welcher Buchstabe im Russischen Texte figurirt, und darum werden wir inconsequent gerade dann verfahren, wenn wir ein е durch je wiedergeben, und zwar aus Rücksichten auf „grammatikalische Bedeutung“, die unserem Principe der Schriftzeichenwiedergabe widerstreiten. Warum sollen wir denn für die Weichheit der Russischen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_316.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)