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wissen wollen und ihm nur eine mittelbare Einwirkung auf das öffentliche Leben zuweisen, zusammenfällt.“

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Hiernach bleibt mir nur übrig, zu sagen, aus welchen Gründen ich zu Gunsten des Stieve’schen Antrages, dessen ganzen Wortlaut ich als bekannt voraussetzen darf, meine principiellen Thesen zurückgezogen habe. Es geschah

1. weil mir jedes leidenschaftliche Pochen auf den Wortlaut meiner Thesen fehlte und ich gern meinerseits dem Bemühen entgegenkommen wollte zur Annahme einer Formel, die, wie Professor Stieve mir schreibt, aufgestellt war in der Empfindung, dass sie der grossen Mehrheit der Versammlung entsprechen würde. Dass das mit dem mir weitaus wichtigsten zweiten Theil derselben nicht der Fall war, konnte niemand voraussehen;

2. weil ich selbst in der denkbar schärfsten Form Zeugniss ablegen wollte dafür, dass mir jede Tendenz beim Geschichtsunterricht, gerade so wie es in dem ersten Theil des Stieve’schen Antrages ausgesprochen war, fern liege, und weil das in seinem zweiten Theil als Ziel des Geschichtsunterrichts hingestellte „strenge Pflichtbewusstsein gegen den Staat“ meinem auf den Begriff der Verantwortung gegründeten Staatsbewusstsein so nahe kam, dass ich darin nur einen umständlicheren Ausdruck für dieselbe Sache erkannte.     Richard Martens.

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Erwiderung. Die vorstehende Kritik einzelner Punkte meines Berichtes gibt mir einen nicht unwillkommenen Anlass, manches noch klarer zu stellen, und ich fürchte auch nicht, durch entschiedene Betonung sachlicher Meinungsverschiedenheiten den „Streit zu vergiften“. Viel bedenklicher wäre es meiner Ansicht nach in dieser Beziehung, wenn wir um des lieben Friedens willen die thatsächlich vorhandenen Gegensätze äusserlich auszugleichen versuchten. Damit würden wir eine unwahre Situation schaffen und für künftig gerade die unbefangene Sachlichkeit des Streites, der ja voraussichtlich bei anderen Gelegenheiten weiter geführt werden wird, gefährden.

1. Herr Dir. Martens wirft mir zunächst vor, dass mein Bericht sich selbst widerspreche, da ich an der einen Stelle sage, dass „die systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung der Grund- und Eckstein seiner Thesen“ sei, während auf der Seite vorher stehe, man müsse zugeben, „dass solche Tendenz mit den beiden mitgetheilten Thesen ihrem Wortlaut nach nicht nothwendig gegeben“ sei. Da hier ein Widerspruch vorhanden sein soll, so wird der Leser annehmen, dass „solche Tendenz“ und die „systematische Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung“ identisch sind. In Wirklichkeit ist aber an jener Stelle meines Berichts mit „solcher Tendenz“ die in der vorhergehenden Zeile genannte „politische Tendenz“ gemeint, und zwar, wie dort weiter ausgeführt wird, politische Tendenz im bestimmten Sinne „die Erziehung zu Mitgliedern der »staatserhaltenden« Parteien im Sinne der jedesmaligen Regierung“. Diese politische Tendenz, das hatte ich zugestanden, ergibt sich aus dem Wortlaut der zwei ersten M.’schen Thesen nicht. Dass sie sich nicht aus etwas anderem ergibt, ist damit ja noch nicht gesagt; aber selbst, wenn das der Fall wäre, wenn

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_324.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2023)