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kann aber auch die Appellation unterlassen und zu jeder beliebigen Zeit dem Urtheil, sobald es gegen ihn geltend gemacht werden soll, die exceptio nullitatis entgegenstellen.

Nach der herrschenden Annahme[1] ist das Institut der „sententia nulla“ eine Eigenthümlichkeit des Römischen Rechts. Im Deutschen Recht habe dasselbe keinen Platz. Nach Germanischer Auffassung sei vielmehr jedes in rechtmässiger Form verkündete Urtheil rechtskräftig, wenn es nicht binnen vorgeschriebener Zeit angefochten werde.

Diese Annahme ist nicht richtig. Auch nach Germanischer Auffassung kann es ein Urtheil geben, welches so absolut rechtswidrig ist, dass es von dem Rechte als nicht bestehend angesehen wird, dass es für „sententia nulla“ gilt und von dem Verurtheilten vollkommen ignorirt werden darf. Ein Beispiel einer solchen sententia nulla bietet die Aechtung Heinrich’s des Stolzen.

1. Die Berichte über die thatsächlichen Vorgänge bei, vor und nach der Aechtung Heinrich’s des Stolzen sind dürftig, aber übereinstimmend. Die Hauptquellen sind die Chronik Otto’s v. Freising und die Historia Welforum. Dass in Bezug auf Thatsachen nicht nur zwischen diesen beiden Quellen kein Widerspruch besteht, sondern dass auch die vereinzelten Mittheilungen gleichzeitiger Annalen in diesen Rahmen sich vollständig einfügen, lehrt die Darstellung bei Bernhardi[2]. Die thatsächlichen Vorgänge sind darnach die folgenden.

Am 7. März 1138 war Konrad zum König gewählt und am 13. März gekrönt worden. An beiden Acten war der Schwiegersohn seines Vorgängers, Heinrich der Stolze, Herzog von Baiern und von Sachsen, nicht betheiligt gewesen. Da dieser seit dem Tode seines Schwiegervaters im Besitz der Reichsinsignien war, so hatte Konrad bei der Krönung sich mit imitirten Insignien behelfen müssen. Konrad verlangte die Herausgabe der Insignien. Er lud Heinrich auf den 23. Mai zu einem Hoftage nach Bamberg; Heinrich erschien nicht. Er setzte ihm einen zweiten Termin auf den 29. Juni nach Regensburg. Hier erschien Heinrich. Es kam auch zu einer Herausgabe der Regalien, aber

  1. Skedl, Die Nichtigkeitsbeschwerde in ihrer geschichtlichen Entwicklung, eine civilprocessuale Abhandlung, Leipzig 1886. S. 1. 59.
  2. Konrad III., Leipzig 1883. S. 40–81.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_072.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2023)