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auf eine Art zu fassen: Welfischerseits wird sententia nulla behauptet, und Staufischerseits wird mit der Möglichkeit gerechnet, dass in der That sententia nulla vorhanden sein könnte.

6. Es fragt sich nun, worauf die Sachsen die Nullität des Verfahrens gründeten. Die Antwort darauf gibt die Welfische Glosse[1] zu Otto von Freising, welche aus dem „iudicio principum“ durch den Einschub eines Wortes „iudicio quorundam principum“ macht. Der Einwand gründete sich also auf die Besetzung des Gerichts.

Es war die Regel, dass am Hofgericht ein Jeder von seinen Stammesgenossen abgeurtheilt wurde[2]. Die Aechtung wurde auf heimathlichem Boden des Verurtheilten ausgesprochen, oder wenn dies nicht angängig war, doch nachträglich wiederholt. Nun kann wohl kein Zweifel sein, dass als Stammland des angestammten Herzogs von Baiern in der Regel Baiern angesehen wurde. Aber selbst wenn man das Stammland des Welfengeschlechts, Schwaben, dafür gelten lassen wollte[3], oder wenn man, da zunächst über Sachsen verfügt werden sollte, es für zulässig erklären möchte, sich an dieses zu halten, – man käme immer zu demselben Resultat: dass die Aechtung nicht auf Stammesboden stattgefunden habe. Denn Würzburg, wo die Aechtung ausgesprochen wurde, liegt weder in Baiern, noch in Schwaben, noch in Sachsen, sondern auf völlig unbetheiligtem Boden, nämlich in Franken.

Nun ist richtig, dass diese Vorschriften über Zusammensetzung und Oertlichkeit des Gerichts nicht immer genau beobachtet worden sind. Wenn aber die Sache wirklich sich so verhielt, wie die Welfen sie darstellten, dass Konrad von Augsburg, wo er angesichts der Baierischen Grenze Hoftag hielt, sich davon machte, um in Würzburg mit „ein Paar Fürsten“, die er gerade mitgenommen hatte, die Aechtung auszusprechen: so leuchtet ein, dass dies nicht der Spruch eines Hofgerichts war, und dass füglich seine Nichtigkeit behauptet werden konnte.

7. Dieses Bild eines in Urtheilsform gekleideten Willküractes wird nun noch ganz erheblich verstärkt, sobald wir uns

  1. R. Wilmans im Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, Bd. 11 (1858) S. 35.
  2. Franklin, Reichshofgericht 2, S. 159.
  3. Vgl. unten.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_076.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2023)