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die correct juristische Form, in welcher man in Sachsen die Aechtung Heinrich’s des Stolzen aufnahm: man focht sie nicht an, sondern man ignorirte sie. Diese Auffassung des Processes von 1138 giebt erst die Möglichkeit, das Klagefundament des Processes, den Heinrich der Löwe später um Baiern geführt hat, zu verstehen. Klagefundament in diesem Processe ist das Erbrecht auf Baiern unter consequenter Ignorirung der geschehenen Aechtung und des damit verbundenen Lehensverlustes. Für den zunächst Beklagten, den von Konrad zum Baiernherzog ernannten Heinrich von Oesterreich, tritt dessen Gewährsmann König Konrad selbst als Antworter ein und übernimmt die Rolle des Beklagten. Mit dessen Tode und dem Regierungsantritt Friedrich Barbarossa’s schwebt der Process wieder zwischen Heinrich (dem Löwen) von Sachsen und Heinrich (Jasomirgott) von Oesterreich. König Friedrich functionirt als Gerichtshalter und zuletzt als gekorener Schiedsrichter. Jede Phase des Processes, jede einzelne Processhandlung ist juristisch klar und durchsichtig. Weit entfernt davon, das Bild unsteten Hin- und Herverhandelns zu bieten, wie es aus den heutigen Darstellungen bei allen ihren Abweichungen übereinstimmend hervortritt, ist dieser achtjährige Process vielmehr eines der bestüberlieferten Beispiele correcten Processverfahrens nach älterem Deutschen Recht. – Zwischen diesen beiden Processen liegt die Erledigung der Streitigkeiten Heinrich’s des Löwen mit Albrecht von Brandenburg. Auch dieser Ausgleich erscheint als eine correct und glatt geführte Verhandlung des jungen Königs.

Die Klarstellung dieser Processe lässt nun auch einen Rückschluss auf die politischen Verhältnisse zu, unter denen sie geführt wurden. In den verschiedenen Stadien des langwierigen Processes um Baiern lernen wir die Gruppen am Hofe kennen. Die treibende Kraft in der letzten Zeit Konrad’s III. ist die Welfische Gruppe: der alte Welf und seine beiden Neffen, Heinrich der Löwe und Friedrich Barbarossa. Den Kern der Gegengruppe bilden Heinrich Jasomirgott von Oesterreich und die Sächsischen Gegner Heinrich’s des Löwen. Der natürliche Throncandidat der Welfischen Gruppe ist dasjenige Mitglied derselben, welches der männlichen Abstammung nach Hohenstaufe ist: Friedrich Barbarossa. Indem es demselben gelingt, auch die Sächsischen Gegner des Welfen zu seiner Gruppe herüberzuziehen,

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_321.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)