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ich aus dem Erfolge schliessen muss, dieses wichtige Geschäft seinem eigenen freien Laufe überliess. Die Regierung hatte bereits in dem § 41 des Separatedictes über die Bildung der Ständeversammlung ihr freiwilliges Verzichtleisten auf jede Einmischung in das Wahlgeschäft auf eine Weise ausgesprochen, die in einer neuen und unversuchten Verfassung, in einem Lande, das nie von Volkswahlen gewusst hatte, und in einem Zeitpunkte, wie der gegenwärtige, zu weit getrieben war; dass dieser Artikel aber buchstäblich vollzogen werden sollte, hatten wohl die Freiheitsenthusiasten selbst kaum gehofft. Wohin dieses Resignationssystem geführt hat, lehren die Resultate. So viel sich aus der Ferne beurtheilen lässt, besteht die Mehrheit der Deputirtenkammer aus unbedeutenden, charakterlosen, in öffentlichen Verhandlungen ungeübten Männern. Wer aus der Masse hervorragt, und folglich den Ton angibt und angeben muss, scheint unglücklicherweise durchaus zu der Classe von Politikern zu gehören, denen alle alte Ordnung ein Greuel ist, die das Heil der Welt nur in den halsbrechenden Theorien suchen, und von welchen die baierische wie jede andere Regierung nichts als einen endlosen, durch keine Nachgiebigkeit zu entwaffnenden, mit keiner Capitulation zu erlöschenden Krieg zu erwarten hat. Die Namen einiger dieser Deputirten waren (im politischen Sinne) so übel berüchtigt, ihr Charakter als erklärte Demagogen war so vollständig anerkannt, dass man in der That erstaunen muss, wie die Regierung nicht alles aufgeboten hat, sie von der Kammer entfernt zu halten. War dies unmöglich, so hätte man ihnen wenigstens kräftige Gegengewichte bereiten müssen, wovon sich bis jetzt leider noch kaum eine Spur gezeigt hat.

3. Man begreift, dass bei den ersten Merkmalen der zunehmenden Gährung in den Köpfen, die Regierung auf den Gedanken verfallen konnte, der öffentlichen Meinung durch zweckmässig abgefasste Schriften eine vortheilhafte Richtung zu geben. Die Mittel und Werkzeuge aber, deren sie sich in dieser Absicht bediente, waren nicht glücklich gewählt. Die Landtagszeitung habe ich von den ersten Nummern an als einen misslungenen Versuch betrachtet. Man nennt als Herausgeber oder Hauptarbeiter an derselben einen Mann, dem es sicher an Verstand und Kenntnissen nicht mangelt, der aber, was auch immer der Grund davon gewesen sein mag, bei dieser Gelegenheit auf falsche Wege gerieth. Wenn gefährliche Grundsätze, willkürliche Auslegungen der Constitution, phantastische Erwartungen und verwegene Ansprüche auch hin und wieder schon laut geworden waren, so hätte die Regierung entweder ein würdevolles Stillschweigen (welches wohl das Beste gewesen wäre) darüber beobachten, oder sie mit grossem Nachdruck und imposanter Autorität zurückweisen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_334.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)