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müssen. Die Landtagszeitung setzte ihnen eine halb strafende, halb populäre, im ganzen matte und furchtsame Polemik entgegen. Sie machte das Uebel ärger, indem sie stärkere und kühnere Gegner zum Kampf aufrief; besonders aber, indem sie Dinge, welche die Volksaufwiegler zwar allerdings gemeint und gewollt, jedoch bis dahin nur im Dunkeln verbreitet hatten, förmlich zur Sprache brachte, und nicht bloss gegen Missverständnisse, sondern gegen offenbar frevelhafte Absichten eiferte, die eine noch unerschütterte und ihrer guten Sache sich bewusste Regierung nicht einmal voraussetzen durfte. In einem der früheren Stücke dieser Zeitung ward z. B. höchst unbehutsamer Weise eine erdichtete Rede geliefert, worin ein künftiger Deputirter seine Amtsgenossen über alle die Schritte belehrte, die ein rechtliches Mitglied der Ständeversammlung nicht versuchen und nicht unternehmen sollte. Aus dieser Rede haben wahrscheinlich viele im Lande, die es noch nicht wussten, oder wenigstens nicht deutlich wussten, gelernt, was ein Deputirter allenfalls unternehmen könnte, und die, die es nur allzu gut wussten, was er unter gewissen Umständen unternehmen durfte. Nebenher stiftete diese Zeitung den grossen Nachtheil, dass sie die Regierung selbst den feindseligen Angriffen anderer Zeitungsschreiber preisgab, die, weil die Localobrigkeiten aus Furcht oder bösem Willen ihnen nicht mehr Einhalt thaten, das halbofficielle Blatt ohne alle Schonung herabsetzten und zerrissen. So erschienen kurz vor der Eröffnung der ständischen Sitzungen, im Bamberger Fränkischen Merkur, ja selbst in der Allgemeinen Zeitung jene frechen Artikel, die den Ausbruch einer gewaltsamen Revolution weit eher, als den ruhigen Genuss einer königlichen Wohlthat in Baiern zu verkündigen schienen.

4. Unter diesen ungünstigen, fast drohenden Vorbedeutungen wurde die Ständeversammlung eröffnet. Ich betrachte hier die Rede des Königs nicht in Bezug auf seine persönlichen Gesinnungen, über deren Vortrefflichkeit kein Zweifel obwalten kann, sondern aus dem Standpunkte, welchen die Verfasser derselben gewählt hatten, um die Stellung des Monarchen gegen die neue Ordnung der Dinge zu bezeichnen. Gerade in dieser Beziehung aber ist sie nach meinen Grundsätzen und Ansichten verfehlt. Der König von Baiern bedurfte keiner Deputirtenkammer, um seine Pflichten gegen sein Volk zu erfüllen. Er hatte bis dahin seinem erhabenen Berufe hinreichend Genüge geleistet, um vor Gott, Welt und Nachwelt die Rechenschaft nicht scheuen zu dürfen. Die Lage seines Staates war nicht bloss, wie es in der Rede heisst, „beruhigend“; sie war so stark und in Vergleich mit so vielen andern Staaten so glücklich, als sie unter den gegebenen Umständen sein konnte; und was darin der Verbesserung

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_10_335.jpg&oldid=- (Version vom 4.5.2023)