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1420 abermals das Reich verliess, diesmal, ohne einen Vertreter zu bestellen, als so gar keine Centralgewalt vorhanden zu sein schien, da wurden bei den Rheinischen Kurfürsten wieder die Bopparder Erinnerungen lebendig, sie begannen sich wieder als die Vertreter der Reichsinteressen zu fühlen. Bereits im Jahre 1421 begehrten sie von einigen Reichsstädten Auskunft über deren Bereitwilligkeit zum Husitenkriege, und zwar „von des Reichs wegen“. Es war das erste Mal, dass sie sich offen einen Antheil an der Regierungsgewalt anmassten, und ihr Schritt erregte bei den Städten natürlich Befremden. Im Herbste desselben Jahres tauchten schon Absetzungspläne auf; bald darauf erhielt die kurfürstliche Opposition an dem nun ebenfalls mit Sigmund entzweiten Friedrich von Brandenburg einen werthvollen Bundesgenossen.

Vergebens versuchte der König, ihren revolutionären Bestrebungen dadurch die Spitze abzubrechen, dass er ihnen die weitgehendsten Vollmachten für die Leitung des Husitenzuges übertrug; wir finden nicht, dass sie sich dieser Vollmachten bedient hätten.

Im Jahre 1422 wagten sie es bereits, einen Reichstag zu berufen und den widerstrebenden König zum Erscheinen daselbst und zu allerlei anderen Demüthigungen zu zwingen; ja sie verkündeten sogar im eigenen Namen die Beschlüsse des Nürnberger Tages dem Reiche; der König drückte nur seine Zustimmung aus. Zum ersten Male wirkten hier alle sechs Kurfürsten zusammen; der Rheinische Bund von 1417 hatte sich in einen Bund aller Kurfürsten verwandelt. Als sie endlich im Frühling 1423 den vom König ernannten Reichsverweser, Erzbischof Konrad von Mainz, zur Niederlegung seines Amtes zwangen und dadurch kraft eigener Machtvollkommenheit einen Regierungsact des Königs einfach umstiessen, da hatte die revolutionäre Praxis ihren Höhepunkt erreicht.

Ganz unbefangen, als verstehe sich das von selbst, hatten die Kurfürsten in den letzten Jahren eine Reihe von Regierungshandlungen ausgeübt, zu denen ihnen keinerlei Recht zustand; der König, ohnmächtig und ihrer Hilfe bedürftig, hatte es ohne Widerspruch geschehen lassen müssen. So war ein ganz neues Herkommen entstanden, eine Reihe von Präcedenzfällen, auf welche die Kurfürsten sich berufen konnten, wenn sie für ihre

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_070.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)