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sie zu bestimmten Reichsangelegenheiten herangezogen werden mussten, wo andere Fürsten nicht mitzusprechen hatten. Von jetzt an sollte die Betheiligung an allen Reichsangelegenheiten Sache des Collegiums, der Gesammtheit der Kurfürsten sein. Bisher waren die alleinigen Factoren der Reichsregierung König und Reichstag gewesen; jetzt versuchte das Kurcollegium sich zwischen beide zu schieben. Wäre ihr Programm voll durchgeführt worden, so wäre der Schwerpunkt der Reichsregierung aus den Reichstagen in die Kurfürstentage verlegt worden; denn einen Vorschlag, über den der König nicht vorher mit dem Collegium eine Vereinbarung erzielt hätte, überhaupt an den Reichstag zu bringen, wäre, da hier die Stimmen gewogen und[WS 1] nicht gezählt wurden, ganz aussichtslos gewesen. Der König würde von diesen Kurfürstentagen beständig in seinem Thun und Lassen controlirt worden sein, und für bestimmte Fälle war es ja klar ausgesprochen, dass das Collegium ihm offenen Widerstand leisten wolle. Wollte der König es also nicht auf einen Krieg ankommen lassen, so hätte er nach dem Willen des Kurcollegiums regieren müssen. Das Wahlcollegium hatte sich durch Feststellung dieser Principien in „des Reiches innersten Rath“ verwandelt.

Dass die Kurfürsten diese Tragweite ihrer Massnahmen nicht erkannt hätten, wird Niemand behaupten wollen, der die in Mainz vorgebrachten, noch weiter gehenden Absichten eines Theiles von ihnen kennt. Aber vielleicht glaubten sie nur, ihnen wirklich zustehende Rechte zu formuliren, waren sich nicht bewusst, dass sie etwas gänzlich Neues schufen? Da erst die letzten 6 Jahre Präcedenzfälle[WS 2] boten, so ist das nicht recht wahrscheinlich; aber wir können sogar den Gegenbeweis liefern.

Die Kurfürsten schalteten nämlich, als sie zu Bingen Friedrich dem Streitbaren ihre Willebriefe gaben, in den bisher üblichen Text einige Worte ein. Noch in den Willebriefen zur Belehnung des Hohenzollern mit Brandenburg aus dem Jahre 1415 lautete der Text[1]: „das wir als ein churfurste zue derselben gabe und verschreibunge unsern gueten willen und verhengnuß gegeben und auch den vorgenanttenn burggraffen Friderichen zue unserm mitchurfursten aufgenomen haben“ etc.

  1. Riedel, Cod. dipl. Brand. II. Haupttheil Bd. 3, S. 235–237.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nnd
  2. Vorlage: Präcendenzfälle
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_078.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2023)