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eigentlich Schuldige an dem schnöden Raubkrieg um Urbino. Leo habe sich auch dem Plan versagt, für Lorenzo in der Romagna einen Staat zu gründen. Und endlich hätten Giuliano und Lorenzo, was durch frappante Mittheilungen erhärtet werden soll, weder physisch noch moralisch-politisch das Zeug dazu besessen, grössere Staaten zu begründen und zu behaupten.

Allerdings scheint mir dieses Urtheil über die beiden letzten legitimen Sprösslinge des Hauses Medici, wenigstens hinsichtlich Lorenzo’s, nicht unbedenklich. Was wiederholt über dessen politische und militärische Unfähigkeit gesagt wird, vermag ich nicht zu vereinigen mit der recht eingehenden Charakteristik bei Vettori, dessen innige Vertrautheit mit dem Hause und seiner Geheimgeschichte Nitti selbst wiederholt zu rühmen hat[1]. Die von ihm verwerthete Thatsache, dass Lorenzo nach seiner Vermählung, also kurz vor seiner langwierigen Erkrankung, keine Lust bezeigt habe, seine Fürstenrolle in Urbino und die eines Bürgerhauptes von Florenz weiter zu spielen, läuft doch parallel der anderen, dass auch Giuliano von vornherein nicht hatte in Florenz bleiben mögen, wodurch Ferdinand von Spanien gerade zu der Ueberzeugung gebracht war, dass er Königsgelüste hätte[2]. Möglich immerhin, dass auch einen Zögling der Renaissance, wie jenen Lorenzo, einen Moment der Gedanke menschlich-einfachen Behagens angelächelt haben könnte, wie Vettori andeutet. Aber sind nicht auch andere Gründe als Mangel an Kraft oder grossem Ehrgeiz für einen solchen Entschluss denkbar? Was wissen wir denn davon, wie Leo in seinem Vollgefühl als Haupt des Hauses und Papstkönig die Stellung jener Nepoten bezüglich etwaiger eigener Einmischung geordnet hatte!

Man braucht gar nicht an aus besonderem Grunde so krasse Beispiele, wie die schiefe Stellung der Brüder Napoleon’s I. als Satrapenkönige zu denken, um sich zu sagen, dass gerade ein selbständiger Ehrgeiz in der Rolle eines von Oben und Unten zugleich gegängelten „Oberbürgers“ von Florenz (es fehlt noch an einer passenden Bezeichnung für die Sache) kein Behagen

  1. Vettori, Sommario 328. Vgl. Nitti, S. 19 u. 23.
  2. Vettori 303, s. 301 (grandezza eccessiva). Die in Florenz eingerichtete Regierung ist ihm un governo civile, del quale Lorenzo – – – capo.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_099.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)