Seite:De DZfG 1894 11 105.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zur Infamie Leo’s gereichend bezeichnet wurde, früher in Aussicht gestellt gewesen war.

In der zwischen Beiden Platz greifenden Entfremdung ist Leo nach Nitti’s Ansicht verharrt bis Ende April. Nitti versucht auf scharfsinnige Weise den Satz zu erhärten, dass während dessen der Papst in keinem Augenblick ernstlich für die Candidatur Franz’ I. gewesen sei, sondern nur mittelst des von ihm unterstützten Französischen Ansturms habe Bresche legen wollen in die Habsburgische Stellung: alles in der Berechnung, dass Franz in der sich aufdrängenden Einsicht, für sich selbst nichts erreichen zu können, rechtzeitig für die Wahl eines Dritten mit gleicher Energie, wie für die eigene, eintreten würde. Erst die durch Erfahrungen in und ausserhalb Deutschlands in ihm erregte Furcht, dass es gegen den laut verkündeten Widerspruch des heiligen Stuhls doch, selbst seitens der geistlichen Kurfüsten und somit sichtlich unter Herabsetzung der päpstlichen Würde, zur Wahl des Königs von Neapel (und Spanien) kommen könnte, zwang den Papst zu einer Schwenkung. Dass diese in die Arme Karl’s und nicht zum Besten eines Dritten, eines Deutschen Fürsten, wie Friedrich von Sachsen, statt hatte, wird zwar nicht allein, aber ganz besonders dadurch bestimmt, dass Franz I. allzuspät sich zum Verzicht auf eigene Bewerbung und Beförderung eines Dritten entschliessen konnte.

Zwei Punkte sind hierbei zu beanstanden. Einmal muss der Entschluss zur Schwenkung später angesetzt, also doch etwas aus der unmittelbaren Einwirkung der durch Nitti vorgeschobenen Factoren weggerückt werden. Es hängt das zusammen mit der wohl stärksten Eigenmächtigkeit der Curie in dieser Angelegenheit. Man weiss ja, dass man sich in Rom, verblendet durch irrige Theorien, für berechtigt ansah, den Deutschen das Wahlrecht und damit thatsächlich das Kaiserthum wieder zu entziehen. Aber dass man als Mittel zum Ziel das Recht soweit umbiegen wollte, um aus einer Minderheit die Mehrheit hervorzuzaubern, ist doch sehr überraschend.

Aber es ist nicht anders. In einem Breve vom 4. Mai 1519 an Cajetan, das von Rom in die Hände Franz’ I. gelegt und von diesem abschriftlich auch in die des Kurfürsten von Brandenburg gespielt worden war, wird der Legat ausdrücklich bevollmächtigt, den durch die Stimmen dreier Kurfürsten Erwählten

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_105.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)