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Ein Druck auf den Papst muss desshalb als ausgeschlossen gelten, weil dieser unverkennbar der Treibende war. Der Kaiser hat sich suchen lassen; noch in einem recht vorgeschrittenen Stadium musste sein vertrauter Kanzler Gattinara ihn festhalten gegenüber Englischen Stillstandsverlockungen. Eben desshalb ist man fast versucht das Dunkel, welches noch immer über die entscheidenden Verhandlungen Beider gebreitet ist, mittelst der Vermuthung zu erleuchten, dass Karl einen höheren Preis als das formale Zugeständniss der Belehnung mit Neapel für seine Bundesgenossenschaft zu erlangen beabsichtigt und darum den Papst so dilatorisch behandelt haben könnte. Denn dies scheint mir durchaus der Fall. Noch am 18. April bei der Entsendung Rafael’s de’ Medici aus Worms dürfte schwerlich von definitiver Entschliessung die Rede gewesen sein[1].

Das würde auch neben der tiefgewurzelten Unentschlossenheit am besten die immer neuen Schwankungen Leo’s in den letzten Wochen vor dem Abschluss erklären. Dass diesmal daran nicht wie manchesmal sonst das Gelüste nach grösserem Gewinnst die Schuld trug, hat Nitti fein bemerkt[2]. Denn Leo hat dem Kaiser gegenüber lediglich an seinen anfänglichen Bedingungen festgehalten, so sehr ihn in finanzieller Beziehung, wegen des Soldes für seine geworbenen Schweizer, die durch Karl geübte Hinhaltung empörte.

Der Vertrag, über den man sich, auf der am 8. Mai festgestellten Grundlage, am 26. Mai endgültig verständigte, hat dem päpstlichen Anstifter dieser Kriegspolitik angesichts der Welt unmittelbar vor seinem Tod einen mit voller Seele empfundenen Triumph eingebracht. Aber gerade ein Ende unter solchen Empfindungen kann das Urtheil über dies verweltlichte Papstthum nur verschärfen, dessen Politik alles andere eher war als würdig eines geistlichen Oberhauptes der Christenheit.



  1. Wie Nitti S. 403 meint; doch s. S. 413 und zum Datum Brieger, Aleander und Luther S. 151.
  2. Nitti S. 421.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_113.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)