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wenigstens – nicht von untergeordnetem Interesse ist, der Sache von einer anderen Seite beizukommen und der schützenden Nachahmung eine Analogie aus früherer Zeit, vielleicht sogar ein Vorbild, an die Seite zu stellen.

Im 10. Buche der Pharsalia des Lucanus v. 176 ff. fordert der wissbegierige Cäsar den greisen Aegyptischen Priester Achoreus[1] mit folgenden Worten zur Schilderung seines Heimathlandes auf:

„O sacris devote senex, quodque arguit aetas,
Non neclecte deis, Phariae primordia gentis
Terrarumque situs volgique edissere mores
Et ritus formasque deum“.

Glücklicher- oder unglücklicherweise jedoch sieht er sich alsbald zu einer Beschränkung seiner Wünsche veranlasst und heischt in erster Linie Belehrung über den Nil (v. 189 ff.):

 „nihil est quod noscere malim,
Quam fluvii causas per saecula tanta latentis
Ignotumque caput; spes sit mihi certa videndi
Niliacos fontes: bellum civile relinquam“.

Achoreus zögert nicht, dem Gewaltigen durch einen v. 194–331 umfassenden Vortrag über Nilschwelle und Nilquellen zu willfahren, für welchen der Dichter, wie erst vor einigen Jahren nachgewiesen wurde[2], das Material zum grössten Theile aus den „naturales quaestiones“ seines Oheims, des Philosophen Seneca, entlehnt hat. So oft ich nun die an erster Stelle citirten Verse lese, kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass Lucanus mit denselben auf den Titel einer geographisch-culturgeschichtlichen Prosaschrift über das „Wunderland der Pyramiden“ angespielt habe. Als Verfasser einer solchen tritt uns abermals Seneca entgegen, welcher nach einer Angabe des Vergiliuserklärers Servius (zu Aen. VI, 154; vgl. die Berner Scholien zu Luc. X, 323, ed. Usener p. 328), an welcher keine kritische Operation vorzunehmen ist, „de situ et sacris Aegyptiorum“[3] geschrieben

  1. Vgl. über den Namen H. Diels, Seneca und Lucan (Abhandlungen der Berliner Akademie von 1885) S. 6 Anm. 1. Der neueste Herausgeber der Pharsalia, C. Hosius, nach dessen Ausgabe (Lips. 1892) ich oben citire, schreibt nach der massgebenden Ueberlieferung „Acoreus“.
  2. Diels a. a. O. Einige Modificationen bei C. M. Francken, Lucanus de Nilo (Mnemosyne N. F. XXI (1893) 315 ff.)
  3. Die sogen. Danielischen Scholien fügen vor „sacris“ ein „de“ ein. – An die Conjectur von F. Osann und F. Glöckner, welche für „situ“ „ritu“ schreiben wollten (vgl. Teuffel-Schwabe II5, 697, wo ohne Grund bemerkt wird „richtiger vielleicht de situ et sacris Aegypti“), glaubt jetzt
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_152.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2023)