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Kaiser kaum noch etwas zu fürchten oder zu hoffen. Sie waren theilnahmloser gegen das Schicksal, ja gegen das Dasein eines Staates geworden, der immer theilnahmloser für ihr Gedeihen geworden war, der von ihnen Geld nahm und dennoch keine Soldaten wider die Langobarden schickte; sie hatten sich innerhalb eines Menschenalters oft empört und waren niemals von der Uebermacht des Staates bezwungen worden. An eine Trennung vom Reiche hatte Niemand gedacht, auch die Päpste nicht, die in den Streitigkeiten über den Glauben immer auf eine Verständigung zählten, aber Viele hatten sich an Handlungen gewöhnt, aus denen die Absicht, aus dem Reiche zu scheiden, mit Leichtigkeit entspringen konnte. Und derselbe Gregor III., der die Bilderfeinde von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, fasste gegen das Ende seines Pontificats den Gedanken, sich mit dem Regierungsbezirk von Rom der Herrschaft des Fränkischen Reiches zu unterstellen.

Als die Reichsregierung bei der fortschreitenden Verkleinerung der Amtsgebiete auch für Rom und das umliegende Land einen Verwaltungsbezirk gebildet hatte, war sie sich nicht bewusst, der päpstlichen Politik ein festes territoriales Gebiet zu gewähren. Die Rechtsfrage blieb allerdings eine unstreitige, der Ducat von Rom war ein kaiserlicher Sprengel wie jeder andere Ducat, der Exarch stellte den Oberbeamten und Unterbeamte an[1], und der Papst hatte keine besondere Gewalt über sie. Allein die Machtfrage beantwortete schon die erste Generation des 8. Jahrhunderts dahin, dass der Papst, bereits in der Stadt Rom übermächtig, auch im Römischen Ducate der Mächtigste sei.

Er war nicht der Befehlshaber der Bürgerwehr, aber wenn er es begehrte, so zog sie aus[2]; er entschied gemeinsam

  1. Vita Constantini c. 10. Vita Cononis c. 5. Vgl. Gregorovius, Rom II⁴, 254. Hartmann a. a. O. S. 25 f. 134 f. nimmt an, unter Gregor III. um 735 sei der Ducat dem Kaiser unmittelbar unterstellt worden, während sich für die Fortdauer der Unterordnung unter den Exarchen aussprechen z. B. Diehl, Revue historique XLV, 143. Cohn a. a. O. S. 46 f. 67. 71 ff. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II, 84. Anders Armbrust a. a. O. S. 93 f.
  2. Vita Gregorii II. c. 23; Vita Zachariae c. 5 bezeichnet die Handlung des Papstes als adhortatio, nicht als Befehl.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_314.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)