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welche, wenn ein Imperator nicht vorhanden war, dem Patriarchen von Constantinopel zukam[1]; er handelte hier kraft seiner kirchlichen Stellung. Die Hauptstädter, welche seine Handlung mit ihrem Zuruf begleiteten, waren kein Volk in staatsrechtlichem Sinne[2] und nahmen, so lebhaft auch ihr Gefühl sein mochte, eine politische Macht zu sein und so unentbehrlich sie für die Uebernahme des Kaiserthums waren, ein Wahlrecht für sich nicht in Anspruch[3]. Ohne den Papst und die Römer wäre das neue Kaiserthum unausführbar gewesen, aber zu vergeben hatten sie das Imperium nicht, und so war Karl gemäss dem Reichsrecht nach dem Acte von 800 dasselbe, was er vorher war. In Byzanz

  1. Vita Leonis III. c. 23. Vgl. Leo III. 813 an Karl, Jaffé IV, 328. Constantinus Porphyrogenitus, De caerimon. I, 43. 94. II, 27. Hergenröther, Photius I, 91. 101. 592. Brunner, Die Constantinische Schenkungsurkunde 1888 S. 26. Duchesne, Liber pontific. II, 38. So wenig als der Patriarch durch die Krönung das Kaiserthum verlieh, war die Handlung des Papstes ein Uebertragungsact. Die Function Leo’s III. schloss ein oder verdeckte seine weltliche Betheiligung als vornehmster „Wähler“. Der Zuruf des sogen. Volkes hatte andere Worte und Zwecke als die Acclamation im Oströmischen Reich, vgl. Constantinus Porphyrogenitus a. a. O. I, 38. 43.
  2. Vita Leonis III. c. 23 sagt: ab omnibus constitutus est imperator, lässt also den Papst nicht allein handeln. Auch die Annalisten des Königreichs zum J. 801 erklären die Römer für einen wesentlichen Factor, Ann. Lauriss. maj., Einhard, Colon., Wirzib., Quedlinb., SS. I, 188. 189. 97. II, 240. III, 40; ebenso Vita Willehadi c. 5 SS. II, 381. Dass die Annal. Lauriss. min. ausser den Römern das Frankenvolk nennen, mag nach Waitz ein erweiternder Zusatz des Autors sein, Berliner Sitzungsberichte 1882 S. 415. 406. Vgl. Gest. abb. Bert. c. 39, Ann. Nordh. 800, Rog. Hoved. 801 SS. XIII, 613. 156. XXVII, 138. Anders ein Jesuit, Zeitschrift für kath. Theologie XVII, 568–573. Zur Sache s. Ranke, Welt-G. V, 2, 183 ff.
  3. In der Provinz Italien tauchte 730 die Absicht auf, einen Kaiser für Constantinopel zu wählen (Vita Gregorii II. c. 17, vgl. c. 23), und ein Prätendent wollte 619 nach Rom, dem Sitz des Reiches, ziehen, um dort die Krone zu nehmen, Prosper Contin., Mommsen, Chronica minora I, 339. Diese Projecte mögen zeigen, wessen die Provinz Italien einst fähig war, auch für unseren Vorgang in St. Peter kommen sie wohl in Betracht. Vgl. Cinnamus, Hist. V, 7. Imperialem Romam intrasti, schrieb Cathuulfus an Karl 775, Jaffé IV, 337. Einzelne Unterthanen Karl’s versuchten das Ereigniss politisch zu rechtfertigen, was nicht schwer war, aber sie bemühten sich umsonst, es auch juristisch zu legitimiren, siehe Annal. Lauresh. 801, Chron. Moiss. 801 SS. I, 38. 305; später Ludwig II. 871 an Basilius, Chron. Salernit. c. 107 SS. III, 524. Vgl. Bryce, The Holy Roman Empire ed. 1889 S.53 f. Fustel de Coulanges, Histoire VI, 314 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_005.jpg&oldid=- (Version vom 19.5.2023)