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Karl war Römischer Kaiser, er war, so lautete sein Titel seit 801, Regent des Römischen Reiches, die früheren Imperatoren waren seine Vorgänger[1]. In der Pfalz zu Ingelheim liess sein Sohn die Thaten seiner Ahnen und die der grossen Kaiser malen[2], aber wer hier Constantin und Karl erblickte, konnte sich sagen, dass ihre Verschiedenheit bedeutender als ihre Aehnlichkeit sei. Constantin war ein Mann von Römischer Art, der das Christenthum vom Standpunkt des Staatsinteresses ansah und behandelte; Karl war der Mann einer neuen Zeit, des Mittelalters, in religiösen Dingen Augustinisch gestimmt und hier also mehr Christ als Staatsmann, auch in staatlichen Angelegenheiten nicht Römisch gesinnt. Und wie die Fürsten, so waren auch ihre Völker verschieden. Die Rechtscontinuität zwischen dem alten und dem neuen Reiche in Ehren – der Karolingische Reichsgedanke war nicht der alte; Niemand änderte ihn absichtlich, nicht der Papst, dessen Prävention ihn nicht alterirte, nicht Karl, welcher doch noch das alte Kaiserthum als weltliche Herrschaft vor Augen hatte, sondern die Zeit machte beide Reiche ungleich, sie stattete das neue Reich nur mit einem Theil der Besitzthümer des alten aus und das, was sie ihm in sein Leben mitgab, hat das Karolingische Imperium seiner Anlage nach von Anbeginn an zu einem neuen Imperium gemacht[3].

Das Reich der Franken war beendigt, das Römische Reich war an seine Stelle getreten. Zwar fuhr Karl fort, obwohl sein Königthum aufgehört hatte, in seinen Urkunden und auf seinen Münzen[4] sich nicht nur Imperator, sondern auch König der Franken und der Langobarden zu nennen, weil seine Unterthanen an seine königliche Gewalt gewöhnt waren und seine kaiserliche Gewalt wenig oder nicht verstanden; erst sein Sohn, der

    Ludwig II. erklärte mit Recht, einen anderen Imperator als den Imperator der Römer gebe es nicht, 871 Chron. Salernit, c. 107 SS. III, 523. Ueber Byzantinische Ansichten Hergenröther, Photius II, 171 f.

  1. Ausdrücklich hervorgehoben von Alcuin 801 oder 802, Epist. 180, Jaffé VI, 640. Später von Hincmar, siehe nachher S. 9 Anm. 1 und 871 von Kaiser Ludwig II., vorige Anm. Karl II. 864, Capit. II, 326 Z. 14.
  2. Ermoldus Nigellus IV, 269 ff.
  3. Nach Phillips, Vermischte Schriften II, 438, erhielt Karl die Rechte, welche theoretisch dem Byzantinischen Kaiser über den Occident zustanden. Vgl. unten S. 25 Anm. 2.
  4. Longpérier, Oeuvres V, 377–382. Vgl. Capit. I, 130, 20 = II, 23, 13.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_007.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2023)