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Imperium gerichtet, er war nicht der Meinung, dass dem Römischen Rechte, weil es das Recht seiner Vorgänger sei, Geltung in seinem Staate gebühre[1]. In der Reichsverwaltung führte er kraft kaiserlicher Machtvollkommenheit nur eine bedeutsame Aenderung ein. Bisher hatten ihm meist weltliche Diener als Königsboten gedient, die Geistlichkeit hatte er nur in einzelnen Fällen in Anspruch genommen; erst als Imperator hielt er sich für befugt, die Uebernahme des Amtes eines ordentlichen Missus von Bischöfen und Erzbischöfen zu begehren, ohne dass seine grössere Thätigkeit für die Kirche hierfür entscheidend gewesen wäre[2]. Von dieser Neuerung hat der Imperator seit 802 Gebrauch gemacht.

Eine Stelle in dem neuen Staate bildet das Räthsel in Karl’s Politik. Das Imperium war untheilbar, sein Königreich war theilbar gewesen. Er vertheilte 806 sein Reich unter seine Söhne. Das Geschick liess ihm nur einen Erben, den er nach Byzantinischem Brauche 813 zu seinem Nachfolger creirte. Eine Verfassungsänderung zu Gunsten des Untheilbarkeit fordernden Imperiums unternahm er nicht. Hemmte ihn 806 die Thatsache, dass seinem Reiche die Byzantinische Anerkennung fehlte, erlag er hier der Macht der Traditionen des Königthums oder sah er voraus, dass kein Gesetz verkürzte oder enterbte Prinzen zur Entsagung auf alte Ansprüche zu zwingen vermöge, dass nur die lebendigen Kräfte der Zeit wirksam sein würden? Er besass einen Staat, dessen Grösse ihm ermöglichte, die Idee der Weltherrschaft zu vertreten, aber wie sollte das Weltregiment geführt werden, wenn mehrere Erben zur Erbschaft des Reiches kamen? Die kaiserliche Partei stellte, um die Gewalt des Imperators im älteren Sinne zu bewahren, 817 eine Ordnung auf, welche die Rechte, die dem Kaiserthum für unentbehrlich galten, einer Individualsuccession

  1. Ein solcher Gedanke ist nach unserer Ueberlieferung in dem Kreise entsprungen, der selbst nach Römischem Recht lebte und ohne den es schwerlich zu einer Reception des Römischen Rechts gekommen wäre, in der Kirche. Erster bekannter Zeuge dieser Auffassung ist Hincmar, De divortio Lotharii, interr. 12, Migne 125, 699 f.
  2. Siehe die treffliche Arbeit von Krause, Missi dominici, Oesterreichische Mittheilungen XI, 218 f. 259 ff. Die Thatsache erwähnen Annal. Lauresham. 802 SS. I, 39, vgl. Capitularia I, 91 f. mit anderer Motivirung. Vgl. im Allgemeinen Schrörs, Hincmar 1884 S. 381 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_009.jpg&oldid=- (Version vom 19.5.2023)