Seite:De DZfG 1895 12 011.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

ein staatlicher Mittelpunkt wäre für sie kein Bedürfniss, er wäre zwecklos gewesen. Die Ideale, welche das neue Kaiserthum geboren hatten, gehörten dem Gottesreiche an, sie waren mithin ein Werk mehr des Klerus als der Laien und haben von Hause aus das Karolingische Imperium in den Dienst der Kirche gestellt.

Auch in der Kirche waltete Karl jetzt als Kaiser. Die Kirchengewalt, die er in seinem Staate als König besessen hatte, erhielt einen neuen Rechtsgrund. Seine frühere Kirchenpolitik hatte bereits eine Richtung eingeschlagen, die er als Kaiser nur weiter zu verfolgen brauchte, um die Aufgaben eines Römischen Imperators zu erfüllen. Er hatte seine Macht benutzt, um den Cultus des Christengottes zu verbreiten[1], des Gottes, welcher der Fränkische Staatsgott geworden war, neben welchem kein Unterthan andere Götter anbeten durfte. Der christliche Glaube war bei den Franken stets eine Rechtspflicht gewesen, als Glaubensgehorsam hatten sie ihn angenommen und eine bessere Fähigkeit, sich das Christenthum anzueignen, besassen sie nicht. Karl befahl ihnen zu glauben, weil ihr Glaube sich befehlen liess. Er gab der Kirche Gesetze. Seinen Klerus wollte er sittlicher, frömmer, gelehrter machen, nicht um des Klerus willen, sondern weil er nur durch den Klerus so für sein Volk wirken konnte. Schon im Jahre 789 erinnerte er in einem Gesetz an Josias, den König von Juda, welcher die Religion pflegte, indem er den Gottesdienst in freier Natur zu Gunsten des Tempeldienstes von Jerusalem unterdrückte.

In seiner kaiserlichen Zeit war Karl auf kirchlichem Gebiete nur thätiger als vorher. Er stellte an seine Unterthanen höhere Anforderungen – sie mussten das Glaubensbekenntniss und das Vaterunser lernen – und auch dem Klerus gegenüber steigerte er seine Gebote[2]. Allein es handelte sich nicht darum, die Arbeit für die Kirche zu vermehren und die heiligen Satzungen zwangsweise durchzuführen, sondern es handelte sich darum, dass es

  1. So rieth ihm Augustin z. B. De civitate dei V, 24. An gleichen Rathgebern hat es ihm nie gefehlt, so z. B. im J. 773 Mon. Germ., Epist. II, 409 u. in den JJ. 809–812, Capitularia I, 247.
  2. Vgl. Müllenhoff und Scherer, Denkmäler Deutscher Poesie und Prosa II³, 325 ff. Simson, Karl II, 494 ff. Paulinus von Aquileja hält dieses Verfahren, wie er dem Kaiser Karl schreibt, für gerechtfertigt: expedit tibi, Migne 99, 508. So auch z. B. Leo IV. 853 an Lothar, Migne 115, 670.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_011.jpg&oldid=- (Version vom 19.5.2023)