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kraft der kaiserlichen Gewalt geschah. Die Christenheit hatte einen neuen Imperator erhalten, der als Haupt der allgemeinen Kirche galt. Einem Römischen Kaiser kam es zu, das göttliche Recht und die Ordnungen der Kirche anzubefehlen, zu erzwingen, die Uebelthäter zu strafen[1]. Euere Gewalt, so schrieb schon 457 ein Papst dem Imperator, ist Euch nicht nur zur Regierung der Welt, sondern am meisten zum Schutze der Kirche übertragen[2]. In dem Gedanken, Vertheidiger der Kirche zu sein und sein zu müssen, lebten auch die Karolingischen Kaiser, auch sie bekannten, durch ihr Römisches Imperium verpflichtet zu sein, die Kirche vor Feinden zu behüten und das Schwert zu ihrem Schutz zu führen[3].

In ihrer Eigenschaft als Kaiser hatten sie auch die Kirche zu leiten[4]. Hatte Karl bisher eine Landeskirche regiert, ohne nach der Ordnung der allgemeinen Kirche eine andere Stellung einzunehmen als die übrigen christlichen Könige, so hatte ihn Gott jetzt seiner Christenheit vorgesetzt mit derselben Gewalt, welche er dem Kaiser in Byzanz gegeben hatte. Der Imperator besass ein Vorrecht, das ihn vor allen Herrschern unterschied: nur er durfte ein ökumenisches Concil berufen. Auch der Kaiser des Westens war jetzt befugt, eine solche Versammlung

  1. So z. B. Codex Theodos. XVI, 1, 2, ein Erlass vom J. 380, den Cod. Justin. I, 1, 1 und Basilik. I, 1, 1 aufgenommen haben. Aus späterer Zeit z. B. Theodorus Studita, Epist. II, 129, Migne, Patrol. graeca 99, 1417. Epanagoge II, 4 f. (um 880), Zachariae a Lingenthal, Coll. libr. iuris graeco-rom. 1852 S. 66. Zachariae v. Lingenthal, Gesch. des Griech.-Röm. Rechts ³S. XII f. Kattenbusch (oben S. 303) I, 374 ff. Nicht zugänglich war mir Gasquet, De l’autorité impériale en matière religieuse à Byzance 1879.
  2. Leo I. 1. December 457 an Leo I., Migne 54, 1130.
  3. Z. B. Karl (s. Thegan c. 6), Ludwig I. 832 (s. Tardif, Monuments historiques S. 87, Mühlbacher Nr. 876) und Lothar I. (s. Vita Walae II, 17 SS. II, 563 f.). Von solchen Erklärungen sind die Denkmäler des 9. Jahrhunderts voll, siehe z. B. Aeusserungen von Päpsten, Jaffé IV, 311; 330. Migne 115, 670. 119, 912; 914. 122, 1320 (Jaffé 2516. 2528. 2638. 2773 f. 2951); Beschlüsse der Synoden zu Mainz 813, Paris 829, Mainz 847, Mansi XIV, 64. 534. Capit. II, 175. Auch Capit. I, 303, 2. II, 99. 351, 1. Ardo, Vita Benedicti c. 29 SS. XV, 211. Sedulius, De rectoribus christianis c. 19, Migne 103, 329. Jonas von Orléans oben S. 3 Anm. 2.
  4. So z. B. die in der vorigen Anmerkung citirten Aussprüche Karl’s, Ludwig’s I., der Pariser Synode.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_012.jpg&oldid=- (Version vom 19.5.2023)