Seite:De DZfG 1895 12 015.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

dem Papste, dem Haupte der Kirche, die Sorge und der Principat in der ganzen Kirche zustehe; er nannte ihn[WS 1] auch wohl mit denselben Worten, mit denen die Zeitgenossen den Kaiser ehrten, das Haupt des Erdkreises[1]. Karl theilte diesen Glauben, als er dem Papste 796 die Leitung der Kirche zuschrieb. Hat er als Kaiser das Kirchenregiment selber übernommen?

Die Pflicht, den orthodoxen Glauben zu vertheidigen, war nicht die Pflicht, den päpstlichen Glauben zu schützen. Wie eine königliche Synode 794 anders als der Papst entschied, so konnte es auch später geschehen[2], allein das Kaiserthum gab nicht das Recht, in Gegensatz zum Papste zu treten[3]. Der neue Kaiser glich auch hier dem alten nicht, weil er in anderem Masse den Primat anerkannte und weil seinen Bischöfen die Gesinnungen des Orientalischen Episcopats fehlten. Es war im Westen bald unverkennbar, dass der Papst in Glaubenssachen mächtiger als der Kaiser sei. Das Reich Gottes, so erklärte die Pariser Synode 829, zerfällt in zwei Lebensordnungen, deren eine der Kaiser und deren andere der Pontificat regiert[4]; Christus, das einzige Haupt jenes Reiches, hatte, als er gen Himmel fuhr, das Regiment an zwei Vertreter ausgetheilt: die Kirche übergab er den Bischöfen, den Staat dem Kaiser[5]. Lothar I. suchte, nachdem seine imperatorische Herrschaft gescheitert war, mit Hilfe der Kirche eine Obergewalt zu gewinnen, indem er den Papst bewog, einen ihm

  1. So z. B. Alcuin, Epist. 33. 93, Jaffé VI, 245 f. 391; Carm. XV, 4. XXVIII, 17, Dümmler, Poetae I, 238. 247. Den Ausdruck caput orbis, den Alcuin, Carm. XXV, 3 S. 245 von Leo III. gebraucht, hat auch Pseudo-Isidor, Felix II. c. 13 S. 489 Hinschius. Sachlich berechtigt war das erst bei Nikolaus I., vgl. Annal. Bertin. 864 S. 68. Regino 868 S. 94. Johannes VIII. März 878 an Lambert, Migne 126, 748. Ein Gedicht an Hadrian, Dümmler I, 92 V. 20 schreibt dem Papste Lehrgewalt zu. Vgl. Capit. II, 515 Z. 16.
  2. So 825 nochmals in der Bilderfrage, Hauck, Kirchen-G. II, 447 ff.
  3. So blieb sein Streit mit dem Papste über das filioque ungeschlichtet, vgl. Jaffé IV, 385 f. Annal. Einhard. 809. Mansi XIV, 18.
  4. Paris I, 3, Mansi XIV, 537 = Capitularia II, 29, 3; vgl. II, 114, 2 = 399, 8. 345, 8. Stephan V. 885 an Basilius, Migne 129, 786 f. Lothar I. nennt die Römische Kirche capud christianitatis, Capitularia II, 65, 2; vgl. sein Schreiben an Leo IV. 851, Bouquet VII, 565. Capit. II, 519, 5 (Hincmar, Ord. pal. c. 5)
  5. Epist. syn. Caris. ad Hludowic. c. 15, Capit. II, 440, vom J. 858. Ein Papst schrieb 833 den Fränkischen Bischöfen, sein Regiment über die Seelen stehe höher als das irdische Regiment des Kaisers, sein Befehl dürfe also dem kaiserlichen nicht nachgehen, Migne 104, 299.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_015.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2023)