Seite:De DZfG 1895 12 023.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Massregeln nicht berechtigt; als Patricius hatte er Rechte gegen den Papst als Landesherrn, als König hatte er Anspruch auf sein bundesgenossenschaftliches Handeln, aber nichts gab ihm eine Staatsgewalt oder eine Kirchengewalt über den Papst.

Unter Hadrian kam das Gerücht aus, Karl gehe mit dem Plane um, ihn zu beseitigen, aber es wurde nicht behauptet, dass er eine solche Befugniss für sich beansprucht habe[1]. Als im Jahre 799 Leo III. der Unzucht, des Meineids und anderer Missethaten beschuldigt wurde, die eine Aberkennung seiner Kirchenwürde hätten rechtfertigen mögen, hegte er selbst, mochte er schuldig oder schuldlos sein, den Wunsch, dass Karl die Anschuldigungen prüfe. Der Fürst berief Geistliche und Laien zu einer Versammlung in St. Peter, vor der die Zeugen vernommen wurden. Die Untersuchung ergab keinen Beweis. Von geistlicher Seite ging der Vorschlag aus, Leo III. möge seine Schuldlosigkeit beschwören, und Karl trat dieser Meinung bei[2]. Ohne gerichtet zu sein und freiwillig[3] hat Leo III. den Reinigungseid geleistet. Was Karl gethan hätte, wenn die Uebelthaten erwiesen wären, und der Schuldige sich geweigert hätte, sein Amt niederzulegen, wissen wir nicht; aber wir wissen, dass Karl damals über kein Recht verfügte, vermöge dessen er den Papst absetzen konnte.

Im Kaiserreiche wurde es anders. Fränkische Bischöfe drohten Gregor IV. mit Absetzung, und er bestritt die Absetzbarkeit nicht principiell, denn er erwiderte, er fürchte die Absetzung nicht, so lange sie ihm nicht Mord, Diebstahl, Sacrilegium oder ein sonstiges derartiges Verbrechen nachweisen

    I², 76 Anm. 6. Hauck a. a. O. II, 490. Päpstliche Erklärungen desselben Inhalts von 865, 869, 885, Migne 119, 940. Mansi 16, 126. Migne 129, 788.

  1. Codex Carolinus S. 629. Nach einer anderen Erzählung wollte Karlmann den Papst gefangen nehmen, Vita Hadriani c. 5.
  2. Vita Leonis III. c. 20. Annal. Lauriss., Einhard. 800 SS. I, 188. 189. Annal. Lauresham. 801 = Chron. Moiss. SS. I, 38. 304 f. Auch Angilbert, Carm. VI, 388 ff., Dümmler, Poetae I, 376. Vgl. Döllinger a. a. O. S. 330 ff., wieder abgedruckt in Döllinger, Akademische Vorträge III, 98 ff.
  3. Jaffé IV, 378 = Pflugk-Harttung, Acta II, 54 S. 26: a nemine iudicatus neque coactus. Auch diese Worte des Eides sprechen gegen die Annahme, dass Karl eine richterliche Gewalt geübt habe. Die politische Betrachtung von Waitz III, 185 scheint mir zutreffender als die juristische Auffassung Dahn’s a. a. O. II, 354. Vgl. Weyl (oben S. 317) S. 168 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_023.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2023)