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könnten[1]. Aber den für die Reichsbischöfe, die Bischöfe des ehemaligen Königreichs, geltenden Bestimmungen, die aus einer Vorzeit stammten, die nicht seine eigene war, war er auch hier nicht unterworfen. Wie die Fränkischen Rechtssätze über Hofpflicht und Gesandtschaftspflicht, Heerpflicht und Steuerpflicht eines Reichsbischofs auf ihn keine Anwendung fanden, so wurde er auch nicht von dem Herrscher wie ein solcher Bischof gerichtet. Er war nicht ein Reichsbischof, sondern der Papst. Auch in dem Imperium der Karolinger blieb er, was er für die Karolingischen Könige gewesen war: der Träger einer selbständigen, eigenartigen Kirchengewalt. Das Kaiserthum hat ihm andererseits auch keine neuen Befugnisse gegeben, weder eine neue gesetzgebende, noch eine regierende oder richterliche Gewalt, auch im Dogma und in der Disciplin erwarb er kein neues Recht. Allein das für die Christenheit bestimmte Reich des Occidents erleichterte ihm, die Gewalt, die er bereits besass, befreit von widerstrebenden Orientalen, zu grösserer Entwicklung zu bringen; er wurde in die Karolingische Politik verflochten, und die Schwäche oder Selbstsucht der Regenten und die Zersplitterung des Staates haben die festere Begründung der päpstlichen Theokratie beschleunigt.

Das Kaiserthum hatte für den Papst staatsrechtliche Bedeutung. Leo III. gab ihr Ausdruck, indem er Karl nach der Krönung adorirte: er beugte vor dem Oberherrn die Kniee und berührte und küsste sein Gewand[2]. So trat er aus dem alten in das neue Reich, den Zuschauern die ideelle Continuität des Imperiums zeigend. Er ist ein Reichsangehöriger geworden[3], aber nicht ein Unterthan. Er hat nicht die Pfichten eines Unterthans,

  1. Gregor IV. 833 an die Fränkischen Bischöfe, Migne 104, 304. Vgl. Vita Walae a. a. O. Ein Concil in Constantinopel 867 setzte den Papst ab und wollte den Karolingischen Kaiser bewegen, das Urtheil zu vollziehen. Hefele a. a. O. IV, 356 f. Hergenröther, Photius I, 653 f.
  2. Annal. Lauriss., Einhard. 801 SS. I, 188. 189. Ueber die Adoration Gothofredus zu Cod. Theodos. VI, 8 und Karlowa, Neue Heidelberger Jahrbücher I, 165 ff. Die Adoration hatte nicht die staatsrechtliche Bedeutung, sich als Unterthan zu bekennen. Untechnisch gebraucht den Ausdruck adoriren Vita Johannis c. 3, vgl. Vita Constantini c. 6.
  3. Als Mitglied des Imperiums war er bei der Divisio imperii 806 und der Ordinatio imperii 817 betheiligt, Annal. Einhardi 806 SS. I, 193 f. Agobard, Fleb. ep. c. 4, Op. II, 45 und Compar. regim. c. 4, Migne 104, 296.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_024.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2023)