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weder nach Römischem noch nach Fränkischem Staatsrecht, übernommen, seine Kirchenwürde hat ihn solcher Gewalt überhoben.

Als die Zeitgenossen sich die Frage vorlegten, welche rechtliche Stellung der Kaiser zu dem Papste einnehme, hatten sie mit zwei Factoren zu rechnen, mit der neuen Reichsgewalt und mit dem ihr vorausgehenden Patriciat. Karl gab der Kanzlei Befehl, in seinem Titel den Patricius Romanorum aufzugeben[1], denn jetzt war er der Imperator der Römer. Allein die Gewalt, welche seine kaiserlichen Vorgänger besessen, aber seit mehreren Menschenaltern nicht mehr geübt hatten, und deren Ermittelung auch sehr schwierig gewesen wäre, diese Gewalt erwarb er[2] nicht: das Chaos, das sich hier im Staatsrecht aufzuthun schien, ist durch die patriciale Vergangenheit gelichtet. Als die kaiserliche Gewalt an die Stelle des Patriciats trat, entlehnte sie einen Theil ihres Inhalts aus den älteren Rechten, die nicht Rechte des Imperiums, sondern dem Imperium feindliche Ansprüche waren.

Das Land[3] der Römischen Kirche wurde ein Theil des neuen Reiches; es war das einzige Gebiet, um welches Karl’s Imperium grösser als sein Königreich war. Da nun das Subject der Römischen Landesgewalt nicht das alte Reich gewesen war, wie das bereits Bd. XI S. 326 besprochen worden ist, so ist es auch das neue Reich nicht geworden. Der Papst wurde nicht ein Statthalter des Kaisers, weil er nicht Rechte des Kaisers verwaltete; er leitete so wenig nach 800 wie vordem seine Gewalt von einer anderen weltlichen Herrschaft ab. Auch jetzt konnte gegen ihn Landes- und Hochverrath begangen werden[4]; ihm

  1. Nur wenige Schreiber von Privaturkunden übersahen die Veränderung, dass der Specialtitel durch den Titel für das Gesammtrecht absorbirt war, so 802, 807? Wartmann, Urkundenb. St. Gallen I S. 161. 187. 806 Mon. Scheftlar., Mon. Boica VIII, 370. 371. Ein Fälscher titulirte für 775 richtig, aber für 817 war er im Irrthum, Mon. Germ., Epist. III, 96, 33. 98, 15. Jedoch auch Hadrian II. schreibt 872 an Karl d. K.: te optamus – – – patricium et imperatorem, Bouquet VII, 457. Nimmt Dümmler, Ostfränk. Reich III², 74 Anm. 1 für die Könige Vererbung des Patriciats an?
  2. Diese Erklärung wagt bezüglich der Römer Pauli cont. Rom. 823, Script. rer. Langob. S. 203.
  3. Karls Testament bei Einhard, Vita Caroli c. 33 geht auf das Erzbisthum der Römischen Kirchenprovinz.
  4. Leo III. bestrafte 815 und Paschalis 823 Majestätsverbrecher nach Römischem Rechte mit dem Tode, oben S. 327 Anm. 1.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_025.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2023)