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hatte Gott das Land und das Volk untergeben[1]. Trotzdem war er nicht Souverän in einem Kirchenstaat, er war es dem Byzantinischen Imperator gegenüber nicht gewesen und ist es auch dem Karolingischen gegenüber durch das neue Imperium nicht geworden. Er befand sich als Landesherr in einer Abhängigkeit staatsrechtlicher Art, deren Wesen sich nicht aus dem Byzantinischen Staatsrecht bestimmen liess und ebenso wenig aus dem Fränkischen, weil eine derartige Sonderstellung bei keiner Herrschaft im Reiche sich wiederholte. Hätte Karl jene Römische Staatsallmacht, die einst auch über die ganze Provinz Italien geboten hatte, in seinem Imperium erneuert, vor den Grenzen des päpstlichen Territoriums hätte sie gleichwohl Halt machen müssen, denn hier schlossen eine solche Gewalt die vor dem Kaiserthum übernommenen Verpflichtungen aus. Damals war die Herrschaft des Patricius ihren Gegenständen nach eine beschränkte und ihrer Anwendung nach eine bedingte gewesen. Das Kaiserthum mochte die praktische Geltung des alten Rechts, das sich jetzt in Kaiserrecht verwandelt hatte, verstärken und seine Realisirung erleichtern, aber Gewalten im Lande der Römischen Kirche, die er als Patricius nicht gehabt hatte, besass Karl auch als Kaiser nicht; es bedurfte erst besonderer Rechtsgründe, damit der Papst von seinen bisherigen Befugnissen verlor und der Kaiser neue Gerechtsame[2] erwarb.

Der Kaiser war Herr von Rom und des gesammten päpstlichen Gebietes, das für ihn nicht Ausland war[3]. Aus der Vorzeit

  1. Oben S. 326. Vita Sergii II. c. 7. 11, Leonis IV. c. 78–81, Nicolai c. 21 ff. 50. Leo III. 812 an Karl, Jaffé IV, 324. Leo IV. 853, Migne 115, 669. Capitularia I, 128, 4. 225, 3. 324, 7. 9. Vgl. Zeumer, Form. S. 618 Z. 11 mit S. 617 Z. 29. Auch in Byzanz bestand diese Auffassung, siehe Constantinus Porphyrogenitus a. a. O. II, 10. Vgl. Hergenröther, Kirchen-G. ¹III, 191.
  2. Karl ordnete 801 die Römischen Verhältnisse; es war die Reichsgewalt, die er übte, aber wie er sie – abgesehen von seinem Richteramt – übte, wissen wir nicht, siehe oben S. 14 Anm. 4. Auch hier wie in seinem übrigen Reiche hatte er noch andere imperatorische Gedanken als seine Nachfahren, aber auch er hat ohne Zweifel nicht versucht, seine Hoheitsrechte erschöpfend zu bestimmen. Zu Capit. I, 108, 22 vgl. I, 201, 16, oben S. 327 Anm.
  3. Ermoldus Nigellus II, 445. Vita Leonis IV. c. 111. Ludwig’s II. Schreiben an Basilius 871 und Ludwig’s II. Grabschrift, Chron. Salernit. c. 107 SS. III, 523 f. Corp. inscr. lat. V S. 623. Rom war „sui imperii caput“, Johannes VIII. 10. Februar 877 an die Kaiserin; „civitas sacerdotalis et regia“, derselbe 878 an Lambert von Spoleto, Migne 126, 714. 749.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_026.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2023)