Seite:De DZfG 1895 12 032.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Der Kaiser durfte jeden Römer richten. So sprach Karl während seines letzten Aufenthaltes im päpstlichen Gebiete Recht[1]. Seine Kenntniss des Unrechts konnte eine zufällige oder eine durch die Klage des Verletzten vermittelte sein. Der eine wie der andere Weg setzte voraus, dass der höchste Richter in der Nähe weilte; blieb er, wie es nach Karl’s Abreise geschah, Jahrzehnte hindurch fern, so drang von dem, was im päpstlichen Lande geschah, nur wenig bis zu ihm. Unter Leo III. hatte sich ein solcher Vorrath von Zorn über Ungerechtigkeiten angesammelt, dass 815 ein Aufstand ausbrach; viele, von päpstlichen Beamten beraubt, wollten sich mit Gewalt der Güter wieder bemächtigen, die ihnen mit Gewalt genommen waren. Noch deutlicher trat gegen zehn Jahre später der kaiserlichen Regierung entgegen, dass die Päpste in der Beaufsichtigung ihrer

    päpstliches Unrecht Vita Pauli c. 2, Stephani III. c. 18 und die spätere Erklärung im Privilegium Otto’s I. 962 § 15.

  1. Eine solche Andeutung machen Capitularia I, 204 und Annal. Einhard. 801 SS. I, 189 mit den privatis rebus und bezüglich des Aufenthalts in Ravenna Annal. Lauresham. 801 = Chron. Moiss. 801 SS. I, 38. 305. Auf der Rückreise richtete Karl in einer Klage des Bischofs von Bologna wider die Abtei Nonantola über ein Gut Lizzano bei Pistoja (Tiraboschi, Nonantola II, 18 S. 34 f., zur Ortebestimmung für das Streitobject Muratori, Antiq. IV, 413). Da sich in diesem Falle sowohl Verklagte wie Streitgegenstand ausserhalb des Kirchenlandes befanden, so hat Karl hier auf päpstlichem Boden Geschäfte des eigenen Landes wahrgenommen, wie das auch sonst geschah; so bestätigte er noch in Rom einen vom Papst auf seine Veranlassung zwischen Arezzo und Siena secundum canonicam authoritatem gefällten Ausspruch und ein Urtheil des Bischofs von Lucca, Brunetti, Cod. dipl. Toscano II S. 325 f. Oesterreichische Mittheilungen II, 449. Memorie di Lucca V, 2, 298 S. 175 f.; spätere Fälle der Art das. V, 3, 1768 S. 639 f. (901). Ann. Bertin. 871 S. 118. Vgl. 850 Muratori a. a. O. VI, 389 ff. Die umfassendste Rechtshilfe für die Kirchenleute fand 824 statt, Capit. I, 323, 2. 6. Annal. Einhard. 824 SS. I, 213. Vita Hludowici c. 38 SS. II, 628. Die Berechtigung dazu bestand auch nach Ludwig’s Privileg 817 S. 176. Urkunden über die kaiserliche Justiz für Römer sind kaum überliefert. Die 821 in Nursia tagenden Missi handelten nicht auf päpstlichem Boden und richteten nicht in Sachen dieses Landes, Regesto di Farfa II, 251 S. 207. Auch das unter Theilnahme päpstlicher Vertreter 812 in Pistoja gehaltene Gericht (Cod. dipl. Langob. 88 S. 164) geht nicht auf Rechtspflege für das kirchliche Gebiet zurück. Wie ich S. 28 und 34 bemerke, kann ich ordentliche Missi für das Kirchenland nicht mit Sicherheit nachweisen. Aus ihrem Mangel würden sich die Enthüllungen von 815 und 824 erklären.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_032.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2023)