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Die Herrschaft des Kaisers im Lande der Römischen Kirche hat nicht vermocht, die Zeit des Patriciats zu überwinden. Wäre die Gewalt der Karolinger unmittelbar auf die der Byzantiner gefolgt, so würden die Nachfolger den Versuch haben unternehmen können, ihren Vorgängern ähnlich zu werden. Jetzt waren sie durch ihre eigene Vergangenheit gebunden. Zwar hatten die Patricier eine genaue Feststellung ihrer Rechte und Pflichten nicht für erforderlich gehalten, aber auch die Kaiser haben das weder nachgeholt noch zu ihren Gunsten benutzt. Als Ludwig I. wenige Jahre nach dem Tode seines grossen Vaters die Privilegien der Römischen Kirche erneuerte, wurden Vereinbarungen bestätigt oder getroffen, die ebenso gut mit dem Patricius hätten geschlossen werden können. In ihnen spiegelt sich bezüglich der Stellung des Kaisers zum päpstlichen Lande der Niederschlag der Conflictszeit zwischen Hadrian und Karl und der Zeit des besseren Friedens zwischen Karl und Leo III. wieder. Der Kaiser entsagte beliebigem Eingreifen in die päpstliche Regierung; er versprach, keinen, der aus der Landesherrschaft zu ihm entweiche, selbst wenn er nur aus Angst zu ihm flüchte, der ordentlichen Regierung zu entziehen, sondern ihn auszuliefern und sich höchstens für einen Entschuldbaren mit seiner Fürsprache zu verwenden. Er behielt sich jedoch vor, dem Römer gegen Gewalt und Unterdrückung seinen Rechtsschutz zu gewähren, ohne dass er über die Mittel eine Bestimmung vereinbarte; er konnte demnach sowohl mittelbar durch Einwirkung auf den Papst, wie unmittelbar durch eigene Herstellung des Rechtes handeln. Der Papst war in dem westlichen Kaiserthum der eigenberechtigte Herrscher geblieben, der er für den Patricius gewesen war[1].

Sollten auch der Schutzvertrag und das Bündniss das 8. Jahrhundert überdauern, sollten auch sie stärker als das Kaiserthum sein? Die Verträge stammten aus einer Zeit, als Niemand an ein Karolingisches Kaiserthum dachte, sie waren in der Voraussetzung geschlossen, dass ein Anderer als der Karolinger Kaiser sei und dieser Andere seine Herrscherpflicht nicht erfülle, und wenn sie auch damals für alle Zeit eingegangen wurden, so

  1. Die Orientalen bezeichneten die Zugehörigkeit Roms zum Westreich als foedus, Vita Hadriani II. c. 56. Regnum Romanorum sagt H. r. Fr. SS. II, 324.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_036.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2023)