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Dieser Vertrag von 824 war für die kaiserliche Politik leichter zu erreichen als zu bewahren. Musste die Besetzung des päpstlichen Stuhles bis zur Ankunft der kaiserlichen Gesandtschaft in Rom verschoben werden, so drohte oft zum Nachtheil der Kirche und der Römer ein langes Interpontificium einzutreten, das den Vertragsbruch, die Weihe vor dem Gelöbniss, in Aussicht stellte. Lothar I. sah die Gefahr voraus und suchte ihr zu begegnen, indem er sogleich 824 die Römer, den Klerus wie die Laien, die Einhaltung der neuen Ordnung beschwören liess. Es war vergeblich. Bald wurden Unvereidigte geweiht und schwuren auch nach der Weihe nicht mehr. Allein mit dieser Form ging der Inhalt nicht unter. Die Verpflichtung des Papstes hatte lange genug gewährt, um aus ihr eine mit der päpstlichen Würde verbundene, unmittelbar durch sie begründete Verbindlichkeit zu machen. Was deren Erfüllung durch den Ausfall des Gelöbnisses verlor, gewann sie durch die Macht der öffentlichen Meinung wieder. Auch jetzt erklärte der Papst, wie seine Vorgänger im 8. Jahrhundert, die Freunde des Kaisers müssten von Rechts wegen auch seine Freunde, des Kaisers Feinde seine Feinde sein[1], und wer sich gegen ihn erhebe, der widerstrebe auch dem Papst[2]: für fortgesetzte Anfeindung des Kaisers drohte er mit dem Kirchenbann[3].

So hat das neue Kaiserthum seinen Weg begonnen. Wohl fiel ein Schimmer von Weltherrschaft in Augustinischer Beleuchtung auf dieses heilige Römische Reich, aber wer den festen Boden suchte und die dauernde, stete Ordnung betrachtete, erkannte ein Recht, für welches nicht dieses Reich den Grund gelegt hatte. Denn dieses Kaiserthum richtete seinen Blick nicht auf den Grossstaat und nicht auf die Christenheit, für deren Einheit nur die Kirche die Organe besass, sondern es hielt im Augenmerk nur eine Kirche, die Kirche von Rom. Ihre irdischen Besitzungen waren ein besonderes kaiserliches Land und zwischen

  1. 27. März 877 an Ingelberga, Migne 126, 721. Ob dieser Papst Johann VIII. dem Kaiser geschworen hatte, ist ungewiss, oben S. 21 Anm. 2.
  2. 864 ebd. 119, 915, vgl. 912 (Jaffé 2773 f.).
  3. 17. Februar 876, Migne 126, 667; Capitularia II, 352, 9, vgl. die ebd. II, 351, 2 erwähnten gleichzeitigen Schreiben bei Migne 126, 664 f. 666 f. 672 f. Einen früheren Fall der Art bietet Jaffé 2917–2921. 874 (Neues Archiv V, 310 f. vgl. Jaffé 2926) begründet der Papst sein Einschreiten anders.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_042.jpg&oldid=- (Version vom 22.5.2023)