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zweiten Tempels bedienten, und das Ideler (I, S. 491 f.) als das kirchliche bezeichnet hat. Dazu konnte er sich um so eher veranlasst fühlen, als der ursprünglich 7. Monat nicht nur der war, in dem das Feuer auf dem Altar im zweiten Tempel entzündet ward, sondern auch der, in welchem der erste Tempel eingeweiht worden war. Er nahm also für das Reich Juda einen bürgerlichen Jahresanfang mit dem Tischri oder, wenn er sich archaisch ausdrücken wollte, mit dem Ethanim an. Er wusste aber sehr wohl, dass das nicht immer und überall der Jahresanfang gewesen war, und da die Könige von Israel meist oder durchweg Abgötterei trieben und jedenfalls zu dem Tempel von Jerusalem in keiner Beziehung standen, nahm er sehr verständigerweise an, dass diese ihr bürgerliches Jahr mit dem Nisan (archaisch dem Abib) begonnen hätten. Wenn er darauf Rücksicht nahm, so mussten sich die Synchronismen unter Umständen um ein Jahr verschieben, und man wird finden, dass sie sich nach der einen oder anderen Seite verschieben, je nachdem der Antritt eines Jüdischen Königs nach den Jahren eines Israelitischen bestimmt wird oder umgekehrt. Es ist ein zwar, wie ich bemerkt zu haben glaube, weit verbreiteter, aber darum nicht geringerer Irrthum, dass die Numerirung der Monate im Jahre von dem bürgerlichen Jahresanfange abhängig sei und dass Neujahr immer auf den 1. eines Monats fallen müsse. Die von Zahlen hergeleiteten Namen der Römischen Monate blieben unverändert, auch nachdem der Quintilis längst aufgehört hatte, der 5. bürgerliche Monat zu sein, und das Mittelalter hat Jahresanfänge nicht nur vom 25. März und vom 25. Dezember, sondern sogar von Ostern. Auch die Juden selbst bezeichnen, wie mir von sachkundiger Seite versichert wird, noch heute den Tischri als den 7. Monat, obwohl sie Rosch haschanah am 1. Tischri begehen.

Grätz hat in seiner Geschichte der Juden I, S. 476 ff., da sich auch ihm die Annahme nothwendig aufdrängte, dass in Israel eine andere Jahrform bestanden habe, als in Juda, eine Hypothese aufgestellt, welche wenigstens kurz berührt werden muss. Er glaubt nämlich, dass in Israel ein freies Sonnenjahr bestanden habe, in Juda dagegen ein freies Mondjahr; König Hiskia habe dann in Juda ein gebundenes Mondjahr eingeführt. Das Letztere sei berichtet II Paralip. 30, 2. 3. 15. Er beruft sich dafür auf eine Talmudstelle, die besagt, Hiskia habe „Nissan

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_075.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)