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niemals, auch nicht im entferntesten, an die Frage von Preussens Stellungnahme im gleichen Falle gerührt habe, obgleich Oesterreich doch ein lebhaftes Interesse daran haben müsse. Eine so grosse Sicherheit habe etwas Beunruhigendes, sei es, dass sie aus dem Bewusstsein von der Schwäche des Staats, die keine kräftige Partei zu ergreifen erlaube, herrühre, sei es, dass der Wunsch die Ursache sei, jede Unruhe und Sorge wegen der Zukunft zu entfernen, nur der gegenwärtigen zu leben und von Tag zu Tag zu existiren. Im Berliner Cabinet sah man allerdings die Sache nicht so trostlos an und hielt dafür, Metternich wolle nur vermeiden, über Oesterreichs Haltung zu sprechen[1]. Und in der That, Humboldt weiss aus Gesprächen mit Metternich zu berichten, dass dieser an Napoleons Absicht zum Bruch mit Russland für jetzt nicht glaube[2], dass bei einer Erkaltung der Beziehungen Russland peremptorische Erklärungen fordern müsse, dass dann Napoleon, der nur in dem ihm günstigsten Augenblick Krieg zu führen liebe, sich wohl beruhigend äussern würde, dass aber Russland im Kriegsfalle Warschau besetzen müsse; doch über Oesterreichs Stellung spräche der Minister kein Wort. Humboldt formulirt sie sehr scharf: Es werde neutral bleiben, so lange wie es möglich sei; sich dann nach den Umständen entschliessen, immer die grosse Gefahr beim Anschluss an Russland vor Augen, da Oesterreich dann dem ersten Angriff der Franzosen ausgesetzt sei und von der Treue und Thatkraft seiner Alliirten abhänge[3].

  1. An Humboldt vom 23. März 1811.
  2. So beginnt auch Metternich seine Denkschrift an den Kaiser vom 26. Marz 1811 (Aus den nachgelassenen Papieren I, 2, 421): „Alles beweist, dass Kaiser Napoleon jetzt den Krieg mit Russland zu suchen, noch entfernt ist“.
  3. Bericht vom 16. März 1811. Am 15. März schreibt Graf Hardenberg (Oncken, Oesterreich und Preussen II, 64): „Oesterreich wird versuchen, neutral zu bleiben, freiwillig wird es nicht mit Frankreich zusammengehen, aber ebenso wenig wird es sich auf die Seite Russlands schlagen, aus Furcht, die ganze Last des Krieges möchte noch einmal auf Oesterreich fallen und Russland möchte es ein zweites Mal in dem Labyrinth stecken lassen, in das es sich für dieses vorgewagt“. Oncken sagt, in diesen Sätzen haben wir die Richtschnur der Metternich’schen Politik bis zum 10. August 1813. Wir dürfen nach obigem wohl behaupten, auch Humboldt habe diese Richtschnur richtig erkannt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_098.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)