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Wer Humboldt’s bisherige Berichte gelesen hatte und nicht von vornherein ihnen misstraute, hatte einen anderen Ausgang nie erwarten dürfen. Metternich aber fügte noch eine Warnung vor dem Französischen Bündniss zu. Er hätte damals wohl gewünscht, dass Preussen sich Russland anschliesse und mit Russland unterginge. In der Denkschrift für seinen Kaiser vom 28. November 1811[1], also kurz vor Scharnhorst’s Ankunft, hatte er die beiden Möglichkeiten: Neutralität und Französisches Bündniss, auseinandergesetzt. Wähle der Kaiser das Letztere, so möge er als Lohn „Aussichten auf Schlesien, die Illyrischen Provinzen und die Inn-Grenze mit Inbegriff Salzburgs“ fordern, als Ersatz für den bei Verkündigung eines Königreichs Polen bevorstehenden Verlust Galiziens.

Von diesem gefährlichen Plan kam auch etwas zu Humboldt’s Kenntniss. In den Depeschen vom December wird die Französisch-Oesterreichische Allianz als immer wahrscheinlicher hingestellt, wobei er allerdings voraussagte, dass Oesterreichs Theilnahme bei dem jammervollen Zustand seiner Armee nur gering sein könne. „Einige bilden sich ein[2], dass Frankreich die Abtretung

  1. Nachgelassene Papiere I, 2 S. 436. Hier ist der Ort, die geringe Kenntniss des Hannoveraners Hardenberg im Vergleich zu Humboldt’s Berichten zu kennzeichnen (siehe oben S. 83). Die meisten Briefe (S. 61, 78, 94, 103, 116) enthalten nichts Erwähnenswerthes. Wichtiger werden sie erst seit November 1811. Und das ist das Ergebniss: Metternich bedient sich des Hannoveraners, um Preussen zur Allianz mit Russland zu drängen, die diesem auch im Englischen Interesse am Herzen lag (S. 124, 126, 136 f., 138, 148, 152 und so fort). Von den Plänen Metternich’s, die dieser in seiner obigen Denkschrift entwickelt, hat er keine Ahnung; auch er wiederholt immer, Oesterreich könne aus inneren Gründen jetzt mit Preussen keine Allianz schliessen, es könne sich Frankreich gegenüber nicht compromittiren, aber Preussen solle nur den Kampf beginnen. Dass auf Oesterreich nicht zu rechnen sei, darin stimmen seine Briefe mit Humboldt’s Berichten überein, im übrigen ist er bloss Sprachrohr für die Metternich’schen Ansichten, die dieser nicht mit der gleichen Energie verlauten lassen kann, ist aber in die Pläne des Oesterreichischen Ministers durchaus nicht eingeweiht. Erst nach Abschluss der Oesterreichisch-Französischen Allianz dämmert es in ihm auf, dass Metternich vielleicht doch nicht so offen gegen ihn war, wie er sich einbildete (II, 267). Bei dieser Sachlage ist es nicht verständlich, wie Treitschke zu seinem obigen Urtheil kommt; Humboldt hat viel schärfer gesehen, wenn er das Bündniss vorhersagt, wenn er immer wiederholt, auf Oesterreich sei nicht zu rechnen.
  2. Bericht vom 11. December 1811.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_108.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)