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meiner Arbeit, sie habe nur allgemeine Redensarten und den Auftrag enthalten, stets in Uebereinstimmung mit Keith zu agiren. Ich hätte sagen sollen, sie habe nichts Neues enthalten, das wäre correcter gewesen. Die in Gallitzin’s Bericht erwähnten Dinge (Höflichkeiten für Peter, Förderung des Friedens, Erkundung der Russischen Absichten) stehen also jedenfalls darin oder sind in dem Hinweis auf Keith’s Instruction enthalten, es liegt demnach durchaus kein Bedürfniss vor, desshalb das Vorhandensein einer zweiten Instruction anzunehmen.

Ein zweiter Grund Michael’s ist der, dass Wroughton’s Sendung bei meiner Annahme in der Luft schweben würde, d. h., dass man nicht wissen würde, weshalb der Resident nach Petersburg geschickt worden wäre. Dies ist aber, wie jeder erfahrene Historiker zugeben wird, ein höchst zweifelhaftes Motiv. Wie unendlich viele uns unbekannte Beweggründe kann ein Minister zu solcher Sendung haben. Es bedeutet eine starke Anmassung, wenn man in Ermangelung eines anderen denjenigen Grund als den wahren hinstellt, der den eigenen Anschauungen entspricht.

Es ist aber überdem unrichtig, dass sich kein anderes Motiv denken liesse. Ich habe ein nicht unwahrscheinliches (S. 29) angeführt. Die Verleumdungen des ehrgeizigen Wroughton, der den Gesandten der Unfähigkeit beschuldigte, hatten bei den Ministern ein williges Ohr gefunden. Man glaubte, sich in dem entscheidenden Moment des Thronwechsels durch Nachsendung des scheinbar erfahreneren und einflussreicheren Generalconsuls gegen Ungeschicklichkeiten sichern zu müssen. Wroughton war demnach ein Aufpasser Keith’s, der die richtige Ausführung der Instructionen überwachen sollte; andere Anweisungen braucht er desshalb nicht erhalten zu haben.

Meine Gründe nun für das Nichtvorhandensein einer geheimen Instruction sind folgende:

1. Die 100 000 Pfund Bestechungsgelder wurden Keith und nicht Wroughton anvertraut, wiewohl mit der Anweisung, sie nach Wroughton’s Angaben zu verwenden[1]. Wie unklug wäre dies Verfahren gewesen, wenn beide Gesandte eine abweichende Politik hätten verfolgen

    haben, da mir im vergangenen Frühjahr die bezüglichen Acten wieder zu Gebote standen.

  1. Dass er diese delicaten Angaben nicht in Keith’s Instruction schriftlich fixirte, sondern lieber dem Ueberbringer mündlich anvertraute, ist wohl nicht zu verwundern und bietet keinen Grund für Annahme einer abweichenden Anweisung des Letzteren.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_164.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)