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zu Gunsten Friedrich’s angeführt hat, vollständig verschwiegen. Ist ein solches Verfahren nicht im höchsten Masse tendenziös zu nennen?

Es kommen aber noch weitere Verdachtsgründe hinzu. In jenem Moment herrschte weder in Preussen noch in England die Ansicht vor, der neue Kaiser werde mit Friedrich dem Grossen Frieden schliessen; das Höchste, was man erwartete, war eine Verminderung der Energie in der Kriegsführung. So schreibt Newcastle an Yorke am 29. Januar 1762: „wenn der Russische Hof den Krieg nicht mit derselben Kraft fortführen sollte – – –“. Also nicht einmal diese Abschwächung erscheint ihm sicher. Der Gesandte Mitchell spricht in seiner Depesche vom 21. Januar die Befürchtung aus, Friedrich’s übertriebene Einbildungskraft (d. h. seine fälschliche Hoffnung auf Peter’s freundliches Verhalten) könne ihn dem Frieden abgeneigt machen. Und Friedrich selbst entwickelt in seiner „Guerre de 7 ans“ Ch. 15 die damalige Unwahrscheinlichkeit eines Friedensschlusses mit Russland. Auch Bute huldigte ohne Zweifel derselben Anschauung. Weder in der Depesche an Keith noch in der an Mitchell vom 6. Februar, die mir ebenfalls vorliegt, ist der Ueberzeugung eines Systemwechsels in Russland Ausdruck gegeben. Der Minister spricht nur von der günstigen Gesinnung des Kaisers, die man zur Erlangung des Friedens ausnutzen müsse, und mit dieser Ausnutzung eben im richtigen Sinne, d. h. zur allgemeinen Pacification, werden Keith und Wroughton beauftragt. Der Graf hält also jenen Wechsel nicht für selbstverständlich, sondern nur durch diplomatische und pecuniäre (100 000 Pfd.) Nachhilfe möglicherweise erreichbar. Michael’s Bemerkung (S. 284): „Man durfte sich also auf eine Systemänderung in Russland gefasst machen; der neue Kaiser würde seine Truppen wohl nicht mehr auf der Seite von Friedrich’s Feinden kämpfen lassen“, entspricht demnach nicht dem wahren Sachverhalt.

Bute’s Hoffnung auf Beendigung des Krieges durch Peter muss noch herabgestimmt worden sein durch Gallitzin’s Aeusserungen, durch dessen Behauptung, Russland werde den Preussischen Staat auf’s äusserste reduciren, es werde ihm nicht allein Ostpreussen, sondern auch Schlesien nehmen wollen. Michael gibt selbst zu, dass hier Gallitzin als der grössere Feind Preussens erscheine. Wie in aller Welt sollte der Lord unter diesen Umständen darauf kommen, Peter zur Fortsetzung des Krieges aufmuntern zu wollen, um dadurch Friedrich zu verlustreichem Frieden zu stimmen? Eben hatte ihm ja der Fürst gesagt, dass dies so wie so geschehen würde, denn eine Behauptung Ostpreussens durch Russland und die Forderung der Abtretung Schlesiens war mit Fortsetzung des Krieges gleichbedeutend.

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_167.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)