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von Bute dringend verlangt, dass er den Instructionen für Keith einen Friedensentwurf beifüge. Der Lord erklärt dies für unmöglich, ehe man nicht des Kaisers Intentionen kenne, und geht nun auf die Bedingungen Gallitzin’s ein, die er als unerfüllbar bezeichnet. Hier nun ist die Stelle, wo Vieles von dem hineingehört, was der Fürst im letzten Theil seiner Depesche an Bute’schen Aeusserungen in tendenziös verkehrter Wiedergabe[WS 1] berichtet hat. Um den Gesandten nur von jenen überspannten Forderungen zurückzubringen und dem Frieden günstig zu stimmen, hat Bute nach der Seite Oesterreichs alle möglichen Zugeständnisse gemacht, wohl wissend, dass er sich hierdurch noch lange keine Verpflichtung auferlegte, und zuletzt sogar das Verbleiben der Truppen auf Preussischem Boden bewilligt, was ja nachher Friedrich selber dem befreundeten Kaiser nicht verweigern konnte. Was im Einzelnen von den tendenziösen Angaben der Depesche wahr ist, lässt sich natürlich nicht feststellen, Thatsache aber ist, dass Gallitzin der Angreifer, Bute der langsam weichende Vertheidiger des Königs war, und das gibt auch den für Friedrich ungünstigen Bemerkungen des Grafen einen völlig anderen Sinn.

Bute’s Rede, wie sie die Depesche wiedergibt, wird nun gerade dadurch höchst verdächtig, dass sie eine Besorgniss vor der Bereitwilligkeit des Kaisers zum Friedensschluss mit Preussen ausdrückt. Gallitzin allein konnte seinen Herrn und dessen Unklugheit so weit kennen, dass er eine unbedingte Preisgabe der Eroberungen zu Gunsten Friedrich’s, eine Rückberufung der Truppen für möglich hielt und fürchtete – wir wissen, dass dies sonst allgemein nicht erwartet wurde –; eine Rede also, die eine solche Besorgniss verrieth, konnte kaum dem Geiste Bute’s, wohl aber dem des Fürsten entsprungen sein. Der Unterschied zwischen den Auslassungen des Lords in dem einen und in dem anderen Bericht liegt eben in der ganzen Auffassung der Lage. Der Brief an Newcastle zeigt eine solche, wie der Graf sie hatte und haben musste, die Depesche Gallitzin’s dagegen eine solche, wie sie Jener nicht, wohl aber der Autor selbst hegen konnte.

Dass sich die beiden Berichte irgendwie in Einklang setzen lassen, bezweifle ich keinen Augenblick. Mit Aufwendung des nöthigen Scharfsinns, an dem es Michael nicht fehlen lässt, kann man nahezu alles combiniren; es fragt sich aber hier, ob wir ein Recht haben, den natürlichen Sinn der einen Darstellung auf Grund der andern gewaltsam umzumodeln, ob diese Andere Glaubwürdigkeit genug besitzt, um der Ersten gleichberechtigt an die Seite gestellt zu werden. Dies eben leugne ich unbedingt. Durch das Verschweigen solch wichtiger Gesprächstheile, wie wir sie erst aus Bute’s Brief erfahren, hat sich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Widergabe
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_169.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)