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allgemein Deutscher Geschichte und ist gegründet in einer Zeit, in der landesgeschichtliche Forschungen im Hintergrunde historisch-wissenschaftlicher Interessen standen; in ihr sind nicht nur Baierische, sondern Gelehrte des gesammten Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz vertreten; mit diesen Aufgaben und diesem Charakter, an dem nicht gerüttelt werden darf, ist sie ein Mittelpunkt für die ganze Deutsche Geschichtsforschung geworden und bildet einen Ruhmestitel in der Geschichte Baierischer Geistescultur; sie ist ein wissenschaftliches Institut von allgemeiner nationaler Bedeutung, wie es ausser Preussen kein anderer Deutscher Staat aufzuweisen hat. Aber wenn in Preussen neben der Erforschung der allgemeinen Deutschen Geschichte die der Preussischen Specialgeschichte nicht vernachlässigt wird, sollte dann dasselbe nicht auch in Baiern möglich sein? Man hört so manchmal Nichtpreussische Historiker klagen über parteiische Darstellung der Preussischen Geschichte, über anmassliche Behauptung der Priorität so mancher Einrichtungen in Verwaltung, Wirthschaft etc., über einseitig glorificirende Behandlung der Geschichte des Preussischen Beamtenthums u. a. m. und zwar auf Kosten der anderen Deutschen Staaten: warum unternimmt man denn nicht dieselben Studien für die eigene Geschichte und macht damit diesen Klagen, aber auch der Möglichkeit der behaupteten Preussischen Geschichtsverzerrung ein Ende?

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Verschiedene Wege zu diesem Ziele sind möglich. Die einen werden die Erforschung Baierischer Geschichte der historischen Commission überweisen wollen, wovon wir indess angesichts ihres oben geschilderten Charakters abrathen möchten; andere werden die Gründung entweder einer besonderen „Commission für Baierische Landesgeschichte“, im engen Anschluss an die Akademie, bei der ja schon eine „Commission für Baierische Urgeschichte“ besteht, oder einer freieren, über ganz Baiern sich erstreckenden „Gesellschaft für Baierische Geschichte“ nach Art der Rheinischen Geschichtsgesellschaft in Vorschlag bringen; auch an eine Dreitheilung im Anschluss an die drei Baierischen Universitäten oder unter Berücksichtigung der verschiedenen Stammesgebiete könnte gedacht werden. Jedenfalls aber müsste eine enge Verbindung zwischen der Fachwissenschaft der Universitäten und Archive mit den reichen, jetzt vielfach brach liegenden, vielfach zu üppig wuchernden Kräften der historischen Vereine Statt haben, wenn etwas Erspriessliches geleistet werden soll. Der gute Wille und die Arbeitskraft der Liebhaber müssen von den Berufshistorikern zu würdigen Aufgaben herangezogen und befähigt werden, wie das jetzt überall in Deutschland mit gutem Erfolg und zum Nutzen der Geschichtswissenschaft ins Werk gesetzt ist. Welche Aufgaben dieser Vereinigung harren, braucht hier nicht erörtert zu werden; wer die Entwicklung der historischen Forschung in den letzten Jahren verfolgt hat, wird darüber keinen Augenblick im Zweifel sein.

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Auf dem letzten Historikertage sind gemeinsame Berathungen der grossen Deutschen und Oesterreichischen Institute für landesgeschichtliche Forschung als dauernde Einrichtung ins Auge gefasst worden: wie die Dinge in Baiern jetzt liegen, wird der zweitgrösste Staat Deutschlands dabei streng genommen nicht vertreten sein.

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Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_180.jpg&oldid=- (Version vom 27.5.2023)