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In solchen Fällen wird das Persönliche von principieller Bedeutung. So ist denn die Verweigerung der Urkunden für meine „Geschichte Baierns unter dem Ministerium Montgelas“ keineswegs bloss ein persönlicher Act, wenn auch persönliche Momente dabei mitspielen. Ich darf nicht verschweigen, dass mir von einem der Herren im Staatsarchiv betont wurde, der Herr Minister sei diesmal ganz besonders gnädig gewesen, er habe Alles bewilligt. Ist das nicht die reine Ironie, nachdem mir von vorne herein Alles vom Regierungsantritte Max Joseph’s an versagt war? Ich darf aber auch nicht verschweigen, dass mir der Vorstand des K. Haus- und Staatsarchivs, Herr Legationsrath Trost, selbst Actenstücke aus einer weiter zurückliegenden Epoche unbedingt verweigert hat, und zwar eine Aufzeichnung Pfeffel’s, die früher auf der K. Staatsbibliothek jedermann zugänglich gewesen, und das Material über Friedrich Michael von Zweibrücken, – letzteres, weil er es selbst bearbeite. Er verwies mich sehr freundlich auf seine Excerpte, die er alsbald in seiner Einleitung zu Leist’s Publication über den Vater Max Joseph’s verwerthet hat. – Ich hatte freilich in Paris Veranlassung genug, über die Armseligkeit seines Materials zu lächeln, und in der Beilage zur Allg. Zeitung Gelegenheit, an der Hand der Französischen Acten seiner Arbeit recht bedenkliche Dinge nachzuweisen.

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Solche dilettantische Handhabung der harten Bestimmungen lässt diese noch härter erscheinen als das kategorische „Nein“, das sich die vorgesetzten Behörden nun einmal zum Princip gemacht haben. Es ist oft genug betont worden, wie sehr die historische Arbeit unter diesem Drucke leidet. Gestatten Sie mir das an dem mir nächstliegenden Beispiele näher auszuführen. Ueberall fast denkt man nun daran, den Schleier zu lüften, der über der Rheinbundzeit liegt. Erstarkt unter dem Einfluss des frischen Geistes, der alle Schichten des geeinigten Vaterlandes durchdrang, zögert man nicht, herzhaft zuzugreifen und unbedenklich sogenannte Fehler der „Vorzeit“ aufzudecken. Hat doch auch die Geschichtswissenschaft ihre Aseptik, so dass sie ungefährdet selbst mit gefährlichen Stoffen umzugehen vermag. Und gerade jetzt ist der günstigste Zeitpunkt, die Forschung über den Rheinbund abzuschliessen, wo wir in dem Gefühl eigener Kraft zu klarer Anschauung durchzudringen und zu erkennen vermögen, dass nicht persönliche Fehler, sondern die historische Nothwendigkeit jene Epoche heraufbeschworen hat. Man schreckt, wie es scheint, vor einer Generalbeichte zurück, ohne zu ahnen, dass man gar keine besonderen Sünden zu beichten hat. Ich wage ohne Rückhalt zu behaupten, dass jene Vorurtheile gegen die Rheinbundzeit, das alte Lied von dem Verrath am Deutschthum, in ihren Auswüchsen zum weitaus grössten Theile auf die gehässigen Intriguen entarteten Baierischen Junkerthums, auf Neid und Missgunst gegen Montgelas zurückzuführen sind, eines Junkerthums, das sich seinen wohldienerischen Patriotismus wahrlich nicht am Urquell Deutschen Wesens geholt hat, sondern – ganz wo anders. Es ist hohe Zeit, mit diesen Vorurtheilen aufzuräumen!

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Die Baierische Regierung wird sich daher durch Erschliessung der Archive selbst den grössten Dienst erweisen. Die Wandlung, welche Baiern

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_182.jpg&oldid=- (Version vom 27.5.2023)