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Eine ideale, selbstlose Persönlichkeit war freilich auch Berthold von Hohenburg nicht; eine so einseitige Ehrenrettung ist von mir niemals beabsichtigt worden. Der Markgraf war nicht frei von bedenklichen Fehlern und Schwächen; gerade seine Doppelzüngigkeit hat den Gegnern die Handhabe geboten, ihn als einen echten Condottiere hinzustellen, der nicht einer Sache diene, sondern an den Meistbietenden sich vermiethe, um gegebenen Falls sich wieder zurückzuziehen und schliesslich bei guter Gelegenheit alles an sich zu reissen. Indess seine Unsicherheit und Doppelzüngigkeit hat ihren letzten Grund in der Haltung Manfred’s und der Lancia, in der Unberechenbarkeit der Italienischen Volksseele, dem raschen Parteiwechsel jener Zeit, in dem Mangel an finanziellen Mitteln seit der Wegnahme Lucerias. Den Markgrafen aus seiner Situation, aus den Sicilischen Verhältnissen heraus zu beurtheilen und die Züge von dem Bilde Berthold’s und Manfred’s zu beseitigen, die sich als das Product einer einseitigen, früh der historischen Ueberlieferung sich bemächtigenden Parteitendenz ergeben, das war der Zweck dieser Zeilen. Im einzelnen mag meine Darstellung noch der Ergänzung und Bestätigung bedürfen, aber die festen Umrisse zu einer gerechteren Würdigung Berthold’s und Manfred’s glaube ich entworfen zu haben.

Als eine innerlich reiche, liebenswürdige Natur, der mitten in einer rastlosen diplomatischen und militärischen Thätigkeit der

    getrachtet, die Usurpation Manfred’s zur politischen Nothwendigkeit gemacht habe. Hat schon Fahrenbruch a. a. O. 66 ff. den Gegenbeweis angetreten, dass das Deutsche Königthum des Engländers und des Spaniers mit der Usurpation Manfred’s nichts zu schaffen habe, dass eine äussere Nöthigung überhaupt nicht vorhanden war, so hat eine inzwischen bekannt gewordene Urkunde zur Evidenz dargethan, dass gerade die Verpflichtung Richard’s von Cornwallis, nach seiner Wahl allen auf das Königreich Sicilien bezüglichen Verträgen zu entsagen und den Sohn Konrad’s IV. bezüglich desselben nicht zu behindern, zu den Bedingungen gehörte, unter welchen die Herzöge von Baiern zu Richard’s Wahl mitwirkten (B.-F. 4772 b). (Diese Bedingung ist selbst noch bei Kempf, G. d. Dt. Reichs w. d. gr. Interregnums [1893] S. 199 unerwähnt geblieben.) Fahrenbruch hat es versäumt, die Gründe zur Usurpation Manfred’s weiter zurückzuverfolgen, zu zeigen, dass schon Manfred’s frühere Arbeit lediglich seinem eigenen Interesse, nicht der Wahrung der Rechte Konradin’s gegolten hatte. Das war eine der vornehmsten Aufgaben dieser meiner Studie.

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_272.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)