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Sinn für zartes Gemüthsleben, die Empfänglichkeit für die Atmosphäre geistiger Cultur geblieben ist, verräth sich Markgraf Berthold in den wenigen Minneliedern, die sich von ihm erhalten haben[1]. Ueber den flachen und farblosen Conventionalismus des Frauendienstes hinaus weiss er eigenartige Motive und concrete Töne zu finden.

„Wol mich, daz ich ze vrouwen han
ein wîp so schoene und auch so reine.“

Er gesteht, dass es schönere Frauen gebe als seine Dame, aber er könne nur die Verbindung von Schönheit und Herzensgüte wirklich lieben:

„Si weiz wol, daz ich schoener wîp dicke schouwe,
an die doch sô gar niht mîn wille ist geleit.
Hie hân ich die schoene in der guete gesehen,
daz man ir des besten von wârheit muoz jehen.
Ich prîse vil selten die schoene âne güete:
diu hât si beide, sô mirs got behüete.“

  1. Vgl. Hagen, Minnesänger I, 33–34, III, 317, IV, 68–72, V, 220; Holland, Gesch. d. Altdeutschen Dichtkunst in Baiern S. 530–35; Bartsch, Deutsche Liederdichter des 12. u. 13. Jahrh., 3. Aufl. (1893), S. XLIII u. 67 f.; Weingartner Handschr., Bibliothek d. lit. Ver. in Stuttgart V, 23. – Schon Giesebrecht, Beitrr. z. Genealogie d. Baier. Adels, S.-B. d. Münch. Ak. 1870 I, 586 f., hat zum Beweise dafür, dass der als Markgraf von Hohenburg bezeichnete Minnesänger unser Markgraf Berthold ist, auf eine Stelle in der „Lamentatio Bertholdi marchionis“ verwiesen:

    „Dives eram quondam, pauper modo. Quid miser egi,
    Carmina qui quondam studio florente peregi,
    Illis temporibus michi sors successit amene,
    Ecce mihi lacere dictant scribenda camene.“

    Trotzdem identificirt Golther, dem offenbar die Studie Giesebrecht’s entgangen ist, in der von ihm besorgten neuen Ausgabe von Bartsch’s Liederdichtern den markgräflichen Minnesänger von Hohenburg nicht mit Berthold, sondern mit dessen Vater, Dipold V., und hält diesen noch überdies für eine Person mit Dipold von Schweinspeunt. Es lässt sich noch ein weiterer Beweis für die Autorschaft Berthold’s anführen: In einem gleich zu citirenden Minneliede singt der Markgraf von Hohenburg, er habe dem Papste von seiner Dame und seiner Liebe zu ihr erzählt. Nun aber wissen wir wohl von Berthold, dass er längere Zeit sowohl mit Innocenz IV. als mit Alexander IV. in engem Verkehre gestanden, von dem Vater, Dipold V., ist uns Aehnliches nicht bekannt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_273.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)