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Die fünfjährige Wiederkehr der Schatzung tritt uns schon anderthalb Jahre nach der Abdankung Diocletian’s als fest geordnete Institution entgegen. Denn gewiss hätte man unter den Stürmen des Bürgerkrieges, der im Jahre 307 ausgefochten wurde, nicht an die Abhaltung eines Census gedacht, wenn der Zeitpunkt für denselben nicht schon vorher gesetzlich fixirt gewesen wäre. Auch dass die Periode doch offenbar dem Lustrum der Römischen Republik nachgebildet ist, muss uns veranlassen, ihre Einführung auf Diocletian zurückzuführen. Denn bei ihm verräth sich oft das Bestreben, seine Neuerungen an verschollene Institutionen des grauen Alterthums anzuknüpfen, eine Tendenz, die seinen Nachfolgern Constantius und Galerius ganz fremd ist. Zudem berichtet uns das Syrische Rechtsbuch (§ 121), dass diejenigen Rechnungseinheiten, nach denen in den letzten Jahrhunderten der Kaiserzeit das steuerbare Vermögen bestimmt wurde, durch Diocletian geschaffen sind, und diese Nachricht klingt um so glaubwürdiger, als auch das Wort capitatio, das die neue Form der Einschätzung und die nach ihr erhobene Steuer technisch bezeichnet, vor der Zeit dieses Kaisers nicht nachweisbar ist[1]. Wenn aber von ihm eine grosse Umgestaltung des ganzen Schatzungswesens ausging, so wird man geneigt sein, auch die Periodisirung des Census als Bestandtheil jener Reform zu betrachten. Dem steht freilich entgegen, dass der erste Census, der nach den Regeln der Capitatio vollzogen wurde, sich dem chronologischen Gesetz der Periode nicht fügen will.

Am 15. Juli und am 6. September 290 entscheidet Diocletian zwei Processe, die auf Grund der Steuererklärungen eines vorhergehenden Census angestrengt waren[2]. Schon dieses macht es wahrscheinlich, dass er nicht, wie es der späteren Regel entsprechen würde, im Jahre 287/88 stattgefunden hatte, sondern

  1. Die frühesten Stellen, in denen das Wort capitatio vorkommt, sind zwei Verordnungen aus den Jahren 290 und 293 (Cod. Just. XI, 55, 1; IV, 49, 9). In den Digesten, wo zu seiner Anwendung Gelegenheit genug gewesen wäre, findet es sich nur in einem Fragment des Arcadius Charisius (L, 4, 18 § 29), der schon unter Constantin schrieb.
  2. Cod. Just. VIII, 53, 7: censualis quidem professio domino praeiudicare non solet, sed si in censum velut sua mancipia deferenti privigno tuo consensisti, donationem in eum contulisse videris. 8: si praeses provinciae non donandi voluntate filiorum tuorum nomine praedia in censum detulisse te manifestis probationibus cognoverit, quod fides veri suggesserit, statuet.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_285.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)