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Für das Anfangsjahr der Indictionenrechnung besitzen wir nur ein ausdrückliches Zeugniss, und dieses ist von sehr zweifelhafter Art. Das Chronikon Paschale berichtet beim Jahre 42 v. Chr.: Γάϊος ᾿Ιούλιος Καῖσαρ πρῶτος Ῥωμαίων ᾑρέθη μονάρχης βασιλεύς. Unter demselben Jahre steht dann noch: ἀρχὴ ἰνδικτιώνων. Später wird unter dem Jahre 312 n. Chr. ausführlich erzählt, wie Constantin als Erster (πρῶτος) den Römischen Christen die Freiheit gab, und dann hinzugefügt: ἰνδικτιώνων Κωνσταντινιανῶν ἐντεῦθεν ἀρχή. Nun ist das Chronikon Paschale für das 4. Jahrhundert zwar eine sehr werthvolle Quelle, aber nur soweit es aus der Chronik von Constantinopel geschöpft hat, und dies verräth sich fast immer dadurch, dass es mit den Fasten des Hydatius, mit Hieronymus oder mit Sokrates übereinstimmt. Wo seine Nachrichten ganz allein stehen, wie in unserem Fall, taugen sie dagegen gar nichts. Dass schon im Jahre 42 v. Chr. die Indictionen begonnen haben, glaubt kein Mensch; wenn man aber diese Notiz verwerfen muss, welches Recht hat man, die ganz gleichartige unter dem Jahre 312, die mit jener in deutlichem Zusammenhange steht, für gut beglaubigt zu halten? Beide Jahre sind nach der Ansicht des Chronisten epochemachend gewesen; denn das erste bezeichnet für ihn den Beginn des Kaiserthums überhaupt, das zweite den Beginn des christlichen Kaiserthums. Offenbar hat er sie nicht auf Grund irgend einer echten Ueberlieferung, sondern nur um jener historischen Bedeutung willen zu Ausgangspunkten seiner Indictionenrechnung gemacht.

Aber selbst wenn die Autorität der Chronik mehr Beachtung verdiente, wäre ihr Zeugniss aus inneren Gründen so unwahrscheinlich, dass wir ihm dennoch den Glauben versagen müssten. Im Jahre 312 stand Aegypten unter der Herrschaft des Maximinus Daja. Dieser hat, soweit unsere Kunde reicht, das Land niemals besucht; dass er tiefgreifende Aenderungen in seiner Verwaltung vorgenommen habe, ist also kaum anzunehmen. 311 bemächtigte er sich der Diöcesen Asia und Pontus und musste jeden Augenblick erwarten, dass Licinius sie ihm mit gewaffneter Hand entreisse; 312 hatte er gegen die Armenier zu kämpfen und bereitete zugleich seinerseits den Bürgerkrieg vor, der Anfang 313 zum Ausbruch kam[1]. Der Zeitpunkt war

  1. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I S. 109; 133; 142.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_295.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)