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Genau so liegt aber der Sachverhalt auch bei dem princeps in den citirten Stellen. Wer mit dem Ausdruck princeps gemeint sei, ergibt sich immer sehr gut aus dem Zusammenhang, ja meistens ist noch eine nähere Bestimmung (z. B. qui jura reddunt in cap. 12 i. f.) hinzugefügt. Nun wird in cap. 13 und 14 vom Gefolgschaftswesen gesprochen, und man ist daher berechtigt anzunehmen, dass unter dem hierbei erwähnten princeps der Gefolgsführer gemeint sei. Diese Annahme ist mindestens ebenso wahrscheinlich, wenn nicht noch wahrscheinlicher als die entgegengesetzte, welche ja auch bloss auf Wahrscheinlichkeit gegründet ist. Und deutlich genug wäre immerhin die Bezeichnung; denn da hier nur vom Gefolge die Rede ist, so ist es eigentlich selbstverständlich in dem princeps comitatus den Gefolgsführer zu erblicken und eine Verwechslung mit den in cap. 12 erwähnten Gaurichtern, den Gaugrafen, principes qui jura reddunt zu befürchten, dazu fehlt jeder Anlass.

Auch der zweite Grund ist kein zwingender. Denn es ist nicht abzusehen, wie es staatsgefährlicher sein könnte, wenn Privatleute sich ein Gefolge bilden, als wenn nur die Gaugrafen, welche obrigkeitliche Macht schon haben, nun noch ein Gefolge hinter sich stehen haben. Auf diese Weise wäre ihre Macht ja unumschränkt gewesen und darin lag eine viel grössere Gefahr für die Volksfreiheit. Wenn wirklich ein Privatmann mit seinem Gefolge gegen die Freiheit des Gaus hätte auftreten wollen, so wäre dieser Versuch doch gleich im Keime erstickt worden durch das selbstverständlich grössere, stärkere Gefolge des Gaugrafen oder durch das Heer. Wo lag denn hier eine Gefahr? Und dass die Heereseinrichtung dadurch gelitten hätte, dass sich mehrere begüterte Herren mit einem Gefolge umgaben, ist in Wahrheit ja nicht zu vermuthen, da die Gefolgschaften nicht sehr gross gewesen sind. Denn die Ausrüstung und Erhaltung der ganzen Schaar lag dem Gefolgsherrn ob und mit einem Gefolge von ein paar Hundert Leuten liess sich nicht ein so inniges Ehren- und Treuband schliessen. Die höchste Stärke einer Gefolgschaft begegnet bei dem mächtigsten Völkerschaftskönig der Alamannen, Chnodomar (im Jahre 357 nach der Schlacht bei Strassburg) und beträgt 203 Helme.

Der letzte Grund dagegen steht offenbar in Widerspruch mit den Ansichten der alten Germanen über Kriegstüchtigkeit.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_335.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2023)