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hervor. Nachdem Tacitus geschildert hat, dass ein zahlreiches und tüchtiges Gefolge den princeps nicht bloss im eigenen Gau, sondern auch über dessen Grenzen hinaus bei den benachbarten Völkerschaften berühmt mache, schliesst er die Bemerkung an: expetuntur enim legationibus et muneribus ornantur et ipsa plerumque fama bella profligant. Also sogar von Gesandtschaften werden sie aufgesucht und meistentheils genügt schon ihr Ruf, um einen Streit zu beendigen. Das heisst m. a. W. das Gefolge, an dessen Spitze sie stehen, ist ein solch ausschlaggebender Factor, dass sogar fremde Völkerschaften Gesandte zu diesen principes schicken, um sich ihre Unterstützung zu erbitten. Wird dieselbe zugesagt, so genügt dieses blosse Versprechen meistentheils schon, um die entgegengesetzte Partei zum Einstellen der Streitigkeiten zu veranlassen.

Nun ist es aber klar, dass diese Mittheilungen nur bemerkenswerth und passend sind, wenn Tacitus hier von Privatpersonen gesprochen hat. Denn dass Gesandte zu den Gauoberen kommen, bedarf keiner Erwähnung. Und dann wäre es wohl wahrscheinlicher, dass Gaugrafen nicht wegen eines Gefolges gefürchtet sind, sondern dass bei ihrem Ansehen die Macht und Stärke der Völkerschaft, an deren Spitze sie stehen, in’s Gewicht fällt. Aus dem ganzen Zusammenhange in cap. 13 i. f. geht aber mit Deutlichkeit hervor, dass der Grund, weswegen die hier genannten principes schon durch ihren Ruf die Partei, gegen welche sie ihren Beistand zugesagt haben, vom Kampf zurückschrecken, eben in der Tüchtigkeit und Grösse ihres Gefolges besteht. Nicht von Häuptern einer Völkerschaft ist hier die Rede, sondern von mächtigen Privatpersonen. Die Vertreter der entgegengesetzten Ansicht, wonach nur die Gaugrafen Gefolgsherren sein dürfen, müssten also womöglich in diesem Fall annehmen, dass hier die Gesandten der fremden Völkerschaft zu den Gaugrafen in ihrer Eigenschaft als Gefolgsherren kamen. Dann hätte die ganze Sache ja aber das Aussehen, als ob der Gaugraf als Führer einer Gefolgschaft in eine Streitigkeit sich hineinmischte und vielleicht gar mit seinem Gefolge in’s Feld zöge, während sein Gau gar nicht an der ganzen Sache betheiligt war oder auch nicht betheiligt sein wollte. Und doch hätte der Gau, erlitt der Graf eine Niederlage, die Folgen hiervon mittragen müssen!

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_337.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2023)